4. Juni 2012

Der Spielverderber - Ursula Curtiss

Produktinfos:

Ausgabe: 1966
Seiten: 143
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Die Autorin:

Ursula Curtiss, die von 1923 bis 1984 lebte, stammte aus New York. Auch ihre Mutter und ihre Schwester verfassten Kriminalromane. Curtiss arbeitete zunächst als Journalistin, ehe sie freie Autorin wurde und insgesamt mehr als zwei Dutzend Krimis veröffentlichte. Gleich für ihren ersten Roman "Stimmen aus dem Dunkel" erhielt sie den Red Badge Mystery Award. Weitere Werke sind u. a. "Schritte im Nebel", "Der Mann mit dem Papageiengesicht" und "Tod einer Krähe".

Inhalt:

Das Ehepaar Manning macht sich abends zu einer Party auf und will am nächsten Morgen nach Hause zurückkommen. Auf die fünf Kinder im Alter von fünf bis vierzehn Jahren soll wie üblich die Babysitterin Mrs. Beagle aufpassen. Doch kaum sind die Eltern aus dem Haus, ruft Mrs. Beagle an und muss absagen. Die vierzehnjährige Libby und ihre Freundin Kit sind ganz froh darüber, den Abend ohne Erwachsene verbringen zu können, und übernehmen die Babysitterrolle allein.

Die selbstbewusste Kit will ihre Freundin mit Telefonstreichen beeindrucken. Dazu sucht sie wahllos Nummern aus dem Telefonbuch und sagt mit ernster Stimme: "Ich weiß, wer Sie wirklich sind, und ich weiß, was Sie getan haben." Anschließend amüsieren sie sich über die Reaktionen. Dabei ahnen sie nicht, dass sie ausgerechnet bei Leonard Whelk landen, der tatsächlich etwas zu verbergen hat. Als Vierzehnjähriger ermordete er seine Pflegemutter und stellte es als Überfall dar. Heute ist er der angesehene Vizepräsident einer Firma und hat einen anderen Namen angenommen.

Whelk will die unbekannte Erpresserin zum Schweigen bringen. Zufällige Hintergrundgeräusche bei Kits Anrufen liefern ihm Hinweise, wo sich ihr Haus befinden muss. Während die Mädchen sich vergnügen, macht sich der Mörder auf in die Nacht, um die vermeintliche Mitwisserin zu finden ...

Bewertung:

Zu der Vielzahl an Krimis, die in der markanten rot-schwarzen Aufmachung beim Scherz-Verlag in den vergangenen Jahrzehnten erschienen sind, gehören sowohl Klassiker als auch eher triviale Romänchen, die alle kurzweiligen Lesespaß auf nicht allzu vielen Seiten bringen sollen. Solide Unterhaltung bietet dieses Werk auf jeden Fall, auch wenn die Grundidee sehr simpel ist.

Überwiegend spannend

Der Plot ist schnell zusammengefasst: Was als jugendlicher Streich gedacht war, bringt einen Mörder auf den Plan und eine Familie in höchste Gefahr. Die Handlung entwickelt sich geradlinig und ohne Abschweifungen, allerdings auf mehreren Ebenen. Da ist einmal die Haupthandlung im Hause Manning, wo sich einerseits die beiden Teenager Libby und Kit amüsieren und andererseits Libbys kleine Geschwister für ein gehöriges Chaos sorgen.

Dazu kommt, dass die Mannings sich ein paar Nutztiere wie Hühner und eine Kuh halten, die in all dem Stress auch noch versorgt werden müssen. Zwischendurch wird immer wieder zum Mörder Leonard Whelk übergeblendet, dessen Lebenslauf in einem kurzen Rückblick dargelegt wird. Aus dem unprivilegierten Waisenjungen ist ein erfolgreicher Geschäftsmann geworden, der alles daransetzen wird, seine reine Weste zu behalten. Nach der ersten Panik sucht er nach allen möglichen Hinweisen, um die Frau am anderen Ende der Leitung identifizieren zu können. Ihm kommt zu Hilfe, dass der Ort recht klein ist und einige markante Hintergrundgeräusche auf ihre Wohnlage hindeuten - das Glockenschlagen der Kirche etwa und das Plappern eines Papageis. Der aufziehende Sturm tut sein Übriges, um eine unheilvolle Atmosphäre entstehen zu lassen, während sich Whelk auf den Weg zu seiner "Erpresserin" macht. Das Zusammenspiel zwischen den unschuldigen Kinderalbereien und Whelks mörderischen Plänen lässt Spannung aufkommen und erreicht einen frühen ersten Höhepunkt, als Whelks versehentlich zunächst die falsche Frau für die Anruferin hält.

Dazwischen wird ab und zu noch der kleine Handlungsstrang um Susan Webb eingestreut, Kits junge Tante, die ungeduldig auf ihren Mann wartet und das kranke Baby hüten muss. Als sie im Radio hört, dass eine junge Frau ganz in der Nähe getötet wurde, ist sie außer sich in Sorge um Kit, von der sie weiß, dass sie gern unvorsichtig agiert. Einerseits bangt sie um ihren Mann, dessen Flugzeug aus unbekannten Gründen erhebliche Verspätung hat, andererseits bringt sie ihr fieberkranker Säuglingssohn fast um den Verstand. Dass nun auch noch ein Mörder im Ort umgehen soll, lässt die junge Frau verzweifeln und sorgt für zusätzliche Brisanz.

Solide Charaktere ohne Tiefgang

Der Krimi nimmt sich keine Zeit, um ausgefeilte Figuren zu entwickeln, aber die Stereotypen sich dennoch recht gut gezeichnet. Whelk ist ein skrupelloser Aufsteiger, der seine Tat als Jugendlicher nie bereut hat und nur Angst um seine Karriere hat. Bei Libby und Kit sind es vor allem die Gegensätze, die sie interessant machen - Libby bewundert ihre gewandte, frühreife Freundin, während sie selbst dank der jüngeren Geschwister selten dazu kommt, sich solche Frechheiten herauszunehmen wie Kit bei ihren gewohnten Telefonstreichen. Kit wiederum ist nach außen hin ein vernünftiges und erwachsen wirkendes Mädchen, das seine Arroganz gut zu verbergen weiß. Susans Gedanken sind daher zwiegespalten in jener Nacht; sie sorgt sich um Kit, die sie telefonisch nicht erreichen kann, da die Leitung stets besetzt ist, hat sich aber zuvor wieder einmal über deren herablassendes Verhalten geärgert und hofft inständig, dass die Nichte ihres Mannes nicht so bald wieder zu Besuch kommen wird.

Eine gelungene Figur ist der obdachlose Poor Sip, ein harmloses, beliebtes Original, dem Whelk gern den Mord anhängen würde. Poor Sip streift bei jedem Wetter umher und sieht seine Aufgabe vor allem darin, verirrte Tiere aufzupäppeln, wobei er Whelk unfreiwillig in die Quere kommt. Für Humor ist trotz des Themas auch gesorgt, vor allem dank der Zankereien unter den Geschwistern, die das Haus in ein Chaos verwandeln, und dank des älteren Majors, Whelks Nachbarn, der meint, einen nächtlichen Einbrecher beobachtet zu haben, und Whelk gute Hinweise liefern möchte - und nicht ahnt, wie sehr er seinem geschätzten Nachbarn damit auf die Nerven geht.

Einige Schwächen

Vielschichtige Charaktere sucht man in dieser Lektüre vergebens; jede Person ist genauso, wie sie auf den ersten Blick dem Leser erscheint, und es findet auch keine Wandlung oder Weiterentwicklung statt. Störender fällt allerdings auf, dass Whelk bei der Suche nach seiner Erpresserin von recht vielen Zufällen profitiert. Während des Telefonats klingt die Kirchturmuhr so laut durch den Hörer, dass er den Standort des Hauses nah bei der Kirche eingrenzen kann. Dazu kommen der plappernde Vogel und die muhende Kuh, die es noch leichter machen, das Haus zu identifizieren, was insgesamt doch ziemlich konstruiert ist.

Unnötig sind außerdem die mehrmaligen Einflechtungen des Erzählers, dass die Kinder noch nicht ahnen, was in dieser Nacht noch Grauenvolles auf sie zukommt - ein reißerischer Tonfall, der einfach nur plakativ wirkt. Beim dramatischen Finale treffen dann alle Handlungsstränge zusammen. Es ist ein zeitlich perfektes Zusammenspiel, das auch wieder etwas zu sehr vom Zufall lebt. Außerdem ist der Schluss sehr knapp gestaltet und geht mit dem Thema fast schon satirisch um, was angesichts der Ereignisse nicht recht passen will.

Fazit:

Ein kurzer, unterhaltsamer, wenn auch recht trivialer Kriminalroman, der sich ohne Mühen sehr rasch durchlesen lässt. Trotz des ernsten Themas ist auch für Humor gesorgt, und wer keine hohen Erwartungen hegt, findet hier etwa solide Urlaubslektüre. Störend sind allerdings die teilweise zu konstruierten Zufälle, die dem Mörder helfen und die für das Finale verantwortlich sind.

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