4. Juni 2012

Die Mennyms - Sylvia Waugh

Produktinfos:

Ausgabe: 1996
Seiten: 233
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Die Autorin:

Sylvia Waugh, Jahrgang 1935, ist eine pensionierte Englischlehrerin, die mit ihrer Debütserie um die Mennyms weltweit Erfolg erlangte. Sie lebt mit ihrem Mann in Gateshead, Nordengland.

Inhalt:

Die Mennyms sind scheinbar eine ganz normale Großfamilie - bis auf die Tatsache, dass sie keine Menschen, sondern Lumpenpuppen sind. Vor vierzig Jahren wurden sie zum Zeitvertreib von einer Frau namens Kate Penshaw genäht, und nach deren Tod erwachten sie plötzlich zu Leben. Seither wohnen sie in dem Haus und halten sich so gut es geht von der Außenwelt fern, damit niemand hinter ihr Geheimnis kommt. Solange sie die Miete pünktlich überweisen, hat auch der Vermieter in all den Jahren kein Interesse an ihnen gezeigt.

Großvater Magnus verdient Geld mit dem Schreiben von Artikeln, sein Sohn Joshua arbeitet in vermummter Gestalt als Nachtwächter. Zur Familie gehören außerdem noch Magnus' tüchtige Frau Tulip, Joshuas praktisch veranlagte Frau Vinetta, die Teenager Soobie und seine aufmüpfige Schwester Appleby, die elfjährigen Zwillinge Poopie und Wimpey und das Baby Googles.

Eines Tages erhalten sie einen Brief von Albert Pond aus Australien, der vom Tod des Vermieters berichtet. Albert Pond sei sein Neffe und damit Erbe des Hauses und will unbedingt die Bewohner kennenlernen. Die Mennyms sind natürlich in heller Aufregung, womöglich würden die Menschen sie für Monster halten. Rasch müssen Pläne geschmiedet werden, wie man den Besuch am besten verhindern kann. Doch dann kommt alles anders als gedacht ...

Bewertung:

Eine Familie ausgestopfter Stoffpuppen als Hauptcharaktere einer Kinderbuchreihe - warum nicht, wenn das Ergebnis so charmant und liebevoll ausfällt wie bei Sylvia Waughs Geschichten über die "Mennyms", die schon jetzt zu einem modernen Klassiker geworden sind.

Sehr gelungene Charaktere

Es ist eine Familie wie jede andere, könnte man meinen, wäre da nicht der kleine Unterschied, dass es Puppen statt Menschen sind, die seit vierzig Jahren in ihrem Haus in der Brocklehurst Grove 5 leben. Der Kopf der Familie ist eindeutig Grandpa Magnus, ein etwas kauziger Patriarch, der kaum je sein Bett verlässt; die quirlige Appleby ist ein typischer fünfzehnjähriger Teenager, der stets neue Flausen im Kopf hat, während ihr Vater Joshua umso pflichtbewusster ist und Bruder Soobie ein belesener Bücherwurm. Obwohl die Mennyms nur wenig kleiner als normale Menschen sind, sprechen und laufen können, fühlen sie keinen körperlichen Schmerz, brauchen keine Nahrung und altern nicht. Dies ist einerseits praktisch, beispielsweise, um das Geld zu sparen, andererseits müssen sie immer auf der Hut sein, nicht von Menschen entlarvt zu werden. Zu unheimlich sehen sie aus mit ihren Knopfaugen und dem Lumpenkörper, fürchten sie, sodass sie kein Risiko eingehen und das Haus nur vermummt und mit tief ins Gesicht gezogenen Hüten verlassen.

Trotz dieser Andersartigkeit sind es größtenteils die gleichen Alltagsprobleme wie Menschen, die die Mennyms beschäftigen. Die Kinder streiten sich untereinander, Joshua verliert seinen Job, die neugierige Haushälterin Miss Quigley steckt ihre Nase in private Angelegenheiten. Überhaupt entstehen viele Probleme natürlich dadurch, dass die Mennyms keinen Kontakt zur Außenwelt haben und sich in der beschränkten Räumlichkeit leicht auf die Nerven gehen. Bereits nach wenigen Seiten hat der Leser die goldige kleine Familie ins Herz geschlossen und verfolgt gebannt ihre Abenteuer in der für sie gefährlichen Menschenwelt.

Spannende Handlung

Dabei sind es nicht nur humorvolle Schilderungen, sondern auch fesselnde und unvorhersehbare Entwicklungen, die für kurzweilige Unterhaltung sorgen. Alles beginnt mit dem verhängnisvollen Brief, in dem sich der junge Albert Pond auf ein Treffen mit der Familie Mennym freut, die schon seit so vielen Jahren das schmucke Häuschen bewohnt. Eine Katastrophe, schließlich ist nicht auszumalen, wie die Menschen auf lebendige Lumpenpuppen reagieren würden. Die Mennyms lassen sich einen cleveren Plan einfallen, um dem Besuch von Neffe Albert zu entgehen, scheinen zunächst gerettet, ehe sie erneut in die Bedrängnis geraten.

Eine dramatische Situation ergibt sich auch ganz nebenbei, als Joshua während einer Nachtschicht von einer Ratte angegriffen wird, die sein Bein annagt. Die Mennyms fühlen keine Schmerzen, aber sie sind sterblich (was übrigens in einem der späteren Bände noch thematisiert wird), und Joshua droht zumindest sein Bein zu verlieren, wenn die herausfallende Füllung nicht schnell gestoppt wird - ganz zu schweigen davon, dass er seine Verletzung auf dem Nachhauseweg vor neugierigen Blicken verbergen muss. Im letzten Viertel des Romans überschlagen sich die Ereignisse; die Briefe von Albert Pond erhalten eine unerwartete Wendung, und Appleby verschwindet spurlos. Bis sie wieder auftaucht, geschieht noch einiges - unter anderem erhalten die Mennyms Familienzuwachs.

Keine nennenswerten Schwächen

Der Einstieg mit dem Brief von Albert Pond ist zwar sehr gelungen, da die Tatsache, dass die Mennyms keine Menschen sind, danach umso überraschender für den Leser kommt. Aber man erfährt etwas spät, wie alt die jeweiligen Familienmitglieder sind, was man, gerade weil es sich immerhin um neun Personen handelt und man anfangs aufgrund der Fülle der Namen, die man noch nicht ganz einer bildlichen Vorstellung zuordnen kann, leicht durcheinanderkommt. Im Vergleich zu den weiteren Bänden muss man außerdem sagen, dass hier einige Dinge nur angerissen werden und das Buch eher den Charakter einer Einführung besitzt und sich vor allem die Angelegenheit mit Albert Pond im nächsten Band noch mal anders darstellt.

Fazit:

Auftakt zu einer originellen und humorvollen Kinderbuchreihe, die auch Erwachsene für sich begeistern kann. Nach wenigen Seiten bereits hat man die Lumpenpuppenfamilie Mennym ins Herz geschlossen und erfreut sich an ihren spannenden und lustigen Erlebnissen. Man sollte aber unbedingt auch die nächsten Bände lesen, da einige Dinge im ersten Band nur angerissen werden.

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