30. Juni 2012

Die Ruhe vor dem Sturm - Helena Brink

Produktinfos:

Ausgabe: 2006
Seiten: 687
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Die Autorin:

Helena Brink ist das Pseudonym eines schwedischen Autorenehepaars. 2004 erschien ihr erster Kriminalroman "Der leiseste Verdacht".

Inhalt:

Nach fast fünfzig Jahren Abwesenheit kehrt der nach Amerika ausgewanderte Max Rösling nach Schweden zurück auf den elterlichen Hof. Dort leben noch seine Stiefmutter Gertrud und Max' jüngerer Halbbruder Leif. Die beiden sind nicht nur überrascht von seinem unerwarteten Besuch, sondern auch misstrauisch - sie fürchten zu Recht, dass er nun das väterliche Erbe einfordert.

Max' zweiter Halbbruder Birger ist vor allem verunsichert und phlegmatisch, nur dessen Frau Gunnel freut sich über das Anliegen, denn auch sie will endlich die Erbschaftsangelegenheit klären. Auch Birger soll nach ihrem Willen zu seinem Erbe kommen, er hat aber bisher nicht gewagt, Leif damit zu konfrontieren. Um Max auszuzahlen, verkauft Leif einen der alten Höfe an Kajsa, die mit ihrem Mann und ihrem Sohn schon seit Jahren eines der Sommerhäuser regelmäßig mietet.

Kajsa ist glücklich über den Kauf, auch wenn das Haus stark renoviert werden muss. Beim Aufräumen findet sie Besitztümer und das Tagebuch einer jungen Frau, die vor rund 25 Jahren mit einer Hippie-Clique dort lebte. Kajsa ist neugierig, was aus dem Mädchen geworden ist und will sie finden, doch ihre Forschungen verlaufen im Sande. Dann werden im Moor plötzlich nacheinander zwei Leichen gefunden - ein archäologischer Fund, aber auch eine junge Frau, die vor einigen Jahren starb ...

Bewertung:

Fast 700 Seiten umfasst dieser Schwedenkrimi und es liegt der Verdacht nah, dass es ein gemächliches Werk und kein atemloser Thriller ist - zu Recht. Die Handlung teilt sich in mehrere Stränge auf, die zwar alle zusammenhängen und früher oder später zusammengeführt werden, aber insgesamt ist es doch ein reichlich komplexes Werk.

Recht gut gelungen sind die Charaktere, die allesamt ziemlich verschieden sind. Die interessanteste Figur ist der heimgekehrte Max. Auf den ersten Blick ist er ein freundlicher älterer Mann, der sich gesundheitlich sehr gut hält und seine Familie nicht aggressiv, sondern ganz gemächlich auf die Erbschaftsangelegenheit anspricht. Beim näheren Kennenlernen fallen dann seine seltsamen abwesenden Momente auf, ebenso wie seine Zwiegespräche mit seiner längst verstorbenen Frau Anna, mit der er voller Überzeugung kommuniziert. Max scheint nicht auf Streit aus zu sein, dennoch sorgt sein überraschendes Auftauchen für Unruhe und man ist auf die weitere Entwicklung gespannt. Die quirlige Kajsa ist ein recht liebenswerter Charakter. Endlich hat sie ihren eher vernünftigen Ehemann Olle zum Kauf des stark renovierungsbedürftigen Hauses überredet und das gefundenen Tagebuch stürzt sie in ein Abenteuer.
Der Leser lernt Pia und ihre Hippie-Clique durch Dutzende von Tagebuchaufzeichnungen kennen. Das knapp achtzehnjährige Mädchen klingt zunehmend unglücklicher, die Streitigkeiten in der Clique nehmen zu, die Geldprobleme ebenfalls. Pia und ihre Freunde erleben Kälte und Hunger, von Aussteigeridylle keine Spur mehr. Das Interesse, was mit ihr geschehen sein mag, ist damit geweckt und man verfolgt gerne Kajsas Nachforschungen. Der Zusammenhang der Morde ist zudem reizvoll miteinander verknüpft. Es gibt mehrere Verdächtige, aber nur ganz allmählich gerät Licht in die Angelegenheit, die Auflösung der Hintergründe ist nachvollziehbar und passend.

Das Buch hat jedoch einige Längen, die es dem Leser nicht immer leicht machen, dranzubleiben. Nach rund 300 Seiten taucht die erste Leiche auf - und die entpuppt sich dann als archäologischer Fund, bis sich die Handlung zu einem Mordfall entwickelt, dauert es noch ein paar weitere Seiten. So reizvoll der Handlungsstrang um Max' plötzliches Auftauchen und die familiären Konflikte ist, so sehr ziehen sich manche Passagen in Kajsas Handlungsstrang. Der Umzug nimmt einen breiten Raum ein, ebenso wie ihre vorübergehende Trennung von ihrem Mann und die kurze Affäre mit ihrem bis dato fast väterlichen Freund Petrus. Das alles wird breit ausgewalzt, für ungeduldige Leser vergeht hier das Vergnügen. Ein bisschen unverständlich ist zudem Kajsas extremes Bemühen, nach immerhin 25 Jahren noch Pia zu finden, um ihr das Tagebuch und die (wertlosen) Schmuckstücke zurückzugeben. Ein Verbrechen vermutet sie anfangs noch nicht, trotzdem setzt sie viel in Bewegung, um zu erfahren, was mit dem Mädchen geschehen sein könnte, das Motiv dahinter scheint nicht ganz schlüssig.

Fazit:

Ein insgesamt empfehlenswerter Krimi aus Schweden, der mehrere Handlungsstränge mit interessanten Charakteren bietet. Die Handlung hat allerdings mehrere Längen, für die Ereignisse ist der Roman deutlich zu umfangreich und verliert sich in ablenkenden Details. der Krimiteil kommt auch erst in der zweiten Hälfte so richtig zum Tragen. Kann man lesen, aber man sollte etwas Geduld mitbringen.

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