5. Juni 2012

Miss Lizzie kehrt zurück - Walter Satterthwait

Produktinfos:

Ausgabe: 2006
Seiten: 333
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Der Autor:

Walter Satterthwait wurde 1946 in Philadelphia geboren und bereiste im Lauf der Jahre alle möglichen Länder. Die meiste Zeit über lebt und schreibt er in Santa Fe (New Mexico). Er schreibt vorwiegend Krimi-Romane, die in den zwanziger Jahren spielen. Weitere Werke sind u.a.: "Miss Lizzie", "Eskapaden", "Oscar Wilde im Wilden Westen" und "Wand aus Glas".

Inhalt:

New York, 1924: Drei Jahre sind vergangen, seit Amanda Burtons Stiefmutter mit einem Beil ermordet wurde und das Mädchen mit Hilfe ihrer Nachbarin Miss Lizzie den Fall klärte. Amanda ist inzwischen sechzehn Jahre alt. Während ihr Vater mit seiner neuen Frau Susan eine Tibetreise unternimmt und ihr Bruder William in Boston bleibt, darf Amanda den Sommer über in New York bei ihrem Onkel verbringen. Onkel John, den sie bisher nicht kannte, ist der jüngere Bruder ihres Vaters, erst Anfang dreißig, Börsenmakler, sehr attraktiv und sympathisch.

Nach ihrer Ankunft verlebt Amanda eine wunderschöne Woche im aufregenden New York. Tagsüber erkundet sie allein die Metropole, abends taucht sie mit John ins Nachtleben ein. Am Freitagabend scheint John irgendetwas zu verstimmen, doch er spricht nicht darüber. Am nächsten Morgen findet Amanda ihn tot in der Bibliothek - erschlagen mit einem Beil.

Die geschockte Amanda ruft die Polizei. Leider gerät sie wegen der Vorgeschichte mit ihrer Stiefmutter selbst unter Verdacht. Nach quälenden Verhören holt sie endlich ein Anwalt heraus - und führt sie zu ihrer Überraschung zu ihrer alten Freundin Miss Lizzie, die extra angereist ist, um Amanda zu helfen. Nach und nach stellt sich heraus, dass John Burton kriminelle Beziehungen zur Halbwelt unterhielt. Welche Rolle spielen der Nachtclubbesitzer McFay, der Unterweltkönig Arnold Rothstein und Johns Exgeliebte Daphle Dale? Gemeinsam mit Miss Lizzie, dem Privatdetektiv Mr. Leibowitz, dem cleveren Anwald Mr. Lipkind, dem mysteriösen Mr. Cutter und der Schriftstellerin Mrs. Parker sucht Amanda nach dem Mörder ...

Bewertung:

"Miss Lizzie" war der erste Streich, in der die berühmte Lizzie Borden, die Ende des 19. Jahrhunderts im dringenden Verdacht stand, ihre Eltern mit dem Beil erschlagen zu haben, als axtschwingende Miss Marple ermittelte. Diesem furiosen Roman folgte nun eine Fortsetzung, die immer noch gut unterhält, aber leider nicht ganz an die Klasse des Vorgängers heranreicht.

Bunte Charaktervielfalt

Miss Lizzie ist die Alte geblieben, sieht man davon ab, dass sie mittlerweile einen Stock als Gehilfe benötigt und der Kneifer mehr als modisches Accessoire geworden ist. Ansonsten ist sie so souverän und humorvoll wie eh und je. Amanda, die einst süße, naive Dreizehnjährige mit der ehrlich-offenen Art, ist zu einer jungen Dame herangewachsen, die aber immer noch recht kindlich denkt, leicht errötet und die Welt um sich herum mit Staunen betrachtet. Auch bei den Nebenfiguren sind dem Autor einige Sympathieträger gelungen. Mr. Lipkind ist ein cleverer Anwalt, der Amanda sofort ein Gefühl von Sicherheit vermittelt. Mr. Leibowitz, äußerlich sehr auffällig, da er als Kind infolge einer Krankheit sämtliche Haare verlor, ist ein fähiger Ermittler, und der gut aussehde Mr. Cutter, einst beim Militär beschäftigt, ist eine wunderbar mysteriös-faszinierende Gestalt. Um den ermordeten John Burton trauert man beinah ebenso wie Amanda, denn nur zu gern hätte man noch mehr darüber gelesen, wie sie ihren Onkel bewundert und wie mit mit Herzklopfen von ihm in New Yorks Lokale ausgeführt und von allen anwesenden Frauen beneidet wird.

Natürlich hat Satterthwait neben Miss Lizzie auch wieder eine Reihe realer Personen aus den Roaring Twenties miteingebracht. Dazu gehört etwa die Schriftstellerin und Kritikerin Dorothy Parker, die für ihre spitze Zunge bekannt war und heute nicht nur durch ihre Werke, sondern auch durch die Verfilmung "Mrs. Parker und ihr lasterhafter Kreis" immer noch populär ist. Der legendäre "Cotton Club" samt seinem Gangster-Besitzer Owney Madden, auch den gefährlichen Arnold Rothstein hat es wirklich gegeben, und in einer amüsanten Szene begegnen wir dem Hollywoodstar Mae West. Üppig und blond, lasziv und schnodderig plaudert sie mit Dorothy Parker, ehe sie mit wiegenden Hüften davonwackelt, ganz so, wie man die Ikone in Erinnerung hat.

Vergnügliche Spannung

Es gibt eine Menge Leute, die als Täter für den Mord an John in Frage kommen, und der Leser darf gemeinsam mit Amanda, Miss Lizzie und den anderen Rätsel raten. Die kriminalistische Handlung steht allerdings nicht so sehr im Vordergrund, die Auflösung ist nicht besonders überraschend, und zumindest wer den Mord in Auftrag gegeben hat, errät man recht bald. Interessanter sind die verwegenen Schauplätze im lasterhaften New York der Prohibitionszeit und die brenzligen Situationen, aus denen sich die findigen Ermittler hinausmanövrieren müssen. Noch häufiger als im ersten Band fallen außerdem Andeutungen seitens Amandas über ihr späteres, sehr bewegtes Leben, sodass man sich wünscht, dass Walter Satterthwait die Reihe vielleicht ohne Miss Lizzie, die bald darauf verstarb, fortsetzt - denn Amandas Leben bietet augenscheinlich auch für die Jahrzehnte danach noch eine Fülle an Stoff.

Schwächer als der Vorgänger

Wie leider zu befürchten, kann dieses Roman allerdings nicht an "Miss Lizzie" heranreichen. Zum einen fehlt die Atmosphäre aus dem ersten Band, die aus dem Kennenlernen von Miss Lizzie und Amanda erwuchs. Während die alte Dame hier eine gute Freundin ist, stand Miss Lizzie damals immerhin selbst unter Mordverdacht, und Amanda grübelte mehrmals darüber nach, ob sie seinerzeit wohl die Tat begangen hat oder nicht. Diese Zwiespalt Amandas, die Miss Lizzie einerseits vertraute und andererseits immer wieder Momente des Zweifelns erlebte, fehlt im Nachfolger, die Rollen sind zu statisch festgelegt.

Zum anderen ist der Roman mit Nebenfiguren ein wenig überladen. Während im ersten Band die Beziehung zwischen Amanda und Miss Lizzie im Vordergrund stand, mischen hier mit Dorothy Parker, Mr. Leibowitz, Mr. Cutter und dem ermordeten John Burton mit hinein. Dorothy Parker lebt mehr von ihrem tatsächlichen Ruf als von ihrer eher blassen Darstellung hier, Leibowitz, Cutter und der verstorbene John allerdings sind sehr interessante Gestalten - gerade dies lenkt aber vom Verhältnis zwischen Amanda und Miss Lizzie ab, das nunmehr zu selbstverständlich wirkt. Ohne Kenntnis des Vorgängers sollte man sich ohnehin nicht an das Buch begeben, da der Zauber von "Miss Lizzie" einen großen Teil dazu beiträgt, dass man so gierig auf weitere Informationen aus dem Leben der beiden verschiedenen Freundinnen lauert.

Fazit:

Ein unterhaltsamer und humorvoller Krimi aus dem New York der Goldenen Zwanziger, der drei Jahre nach dem Vorgänger "Miss Lizzie" spielt. Allerdings kann der Roman nicht die Klasse des ersten Bandes erreichen, vor allem da die Beziehung zwischen Amanda und Miss Lizzie hier nicht so sehr im Vordergrund steht. Trotzdem auf jeden Fall lesenswert.

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