7. Juli 2012

Dein Wille geschehe - Michael Robotham

Produktinfos:

Ausgabe: 2009
Seiten: 576
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Der Autor:

Michael Robotham, geboren 1960 im australischen New South Wales, arbeitete zunächst als Journalist für große Magazine und Zeitungen in Sydney und London, ehe er sich ganz dem literarischen Schreiben widmete. Weitere Werke von ihm sind u.a. "Amnesie", "Adrenalin" und "Todeskampf".

Inhalt:

Der renommierte Psychologe und Dozent Joe O'Loughlin wird nach einer Vorlesung zu einem dramatischen Vorfall gerufen: Eine nackte Frau steht im strömenden Regen auf der Clifton Bridge in Bristol, reagiert auf keine Ansprache und hält unentwegt ein Handy ans Ohr. Joe versucht, sie vom drohenden Suizid abzuhalten, doch vergeblich - vor seinen Augen springt die Frau wie ein ferngesteuerter Roboter in den Tod. Für die Polizei ist der Fall damit klar, aber Joe fragt sich, wer der Anrufer am Handy gewesen sein könnte.

Kurz darauf taucht die sechzehnjährige Tochter der Toten bei ihm auf. Darcy lebte im Internat, hat keine Verwandten in Großbritannien und will nicht glauben, dass ihre Mutter bereitwillig Selbstmord begangen hat. Joe nimmt sie vorübergehend in seine Familie auf und untersucht den Fall. Tatsächlich deutete nichts im Verhalten der verstorbenen Christine Wheeler auf einen geplanten Selbstmord hin. Dass sich ihr letzter Gesprächspartner nicht bei der Polizei gemeldet hat, verstärkt seinen Verdacht.

Kurz darauf geschieht ein weiterer mysteriöser Selbstmord: Christine Wheelers Geschäftspartnerin Sylvia Furness wird erfroren an einen Baum gekettet gefunden, neben ihr ein leer telefoniertes Handy. Keine Fremdeinwirkung ist zu erkennen, doch nun steht für Joe fest, dass ein Unbekannter seine Opfer offenbar in den Tod treibt. Zusammen mit seinem Freund, dem pensionierten Detective Vincent Ruiz, versucht Joe dem Täter auf die Spur zu kommen. Dabei ahnt er nicht, dass er sich in höchste Gefahr begibt ...

Bewertung:

Nach "Adrenalin" und "Amnesie" ist "Dein Wille geschehe" der dritte Fall mit dem Facharzt für Psychiatrie Joe O'Loughlin und seinem Freund, dem mittlerweile pensionierten Polizisten Vincent Ruiz, der ihn im ersten Band noch unter Mordverdacht verhaftete.

Durchgehende Spannung

Psychothriller über Serienmörder gibt es viele, originell ist aber die Methode dieses Täters, der gar nicht selbst Hand an seine Opfer legen muss. Mit perfiden Psychotricks bringt er die Frauen dazu, sich selbst vor seinen Augen umzubringen und lässt damit zunächst alles auf einen mehr oder weniger normalen Suizid hindeuten. Joes Hinweise, dass sich mehr hinter Christine Wheelers Tod verbergen könnte, werden anfangs von der Polizei abgetan - weder ein fehlender Abschiedsbrief noch fehlende Vorsorge für ihre sechzehnjährige Tochter sorgen dort für Misstrauen, zumal Wheelers finanzielle Probleme als Motiv gesehen werden können. Der zweite Todesfall nach ähnlichem Muster sowie die Spuren eines vergeblichen Hilferufs des ersten Opfers machen dann jedoch klar, dass hier eine grausame Inszenierung am Werk war. Der Täter hypnotisiert seine Opfer nicht, wie man zunächst glauben könnte, sondern nötigt sie zum Selbstmord, indem er sie glauben macht, ihre Töchter seien in seiner Gewalt. Beim zweiten Todesfall erlebt der Leser hautnah mit, wie Sylvia Furness in den Tod getrieben wird, perverserweise völlig unnötig, denn ihre Tochter war nie in den Händen des Mörders. Trotz des beachtlichen Umfangs des Romans gibt es keine Längen, zu fesselnd ist die schwierige Suche nach dem Täter und nach möglichen weiteren Opfern, denn willkürlich, so viel darf verraten werden, wurden die beiden Frauen nicht ausgesucht. Gegen Ende gibt es ein in mehrfacher Hinsicht dramatisches Finale, das glücklicherweise nie zu aufgesetzt oder inszeniert wirkt. Zwischendrin gibt es durchaus überraschende Wendungen und die Ermittler tappen in manche Fallen und es bleibt spannend, wer womöglich noch alles dem Mörder zum Opfer fällt. Die ersten beiden Bände mit Joe und Ruiz muss man nicht gelesen haben, die wichtigsten Ereignisse daraus werden kurz angerissen, ohne aber zu viel von den Handlungen zu verraten, sodass man getrost die ersten Bände hinterher noch lesen kann.

Interessante Charaktere

Obwohl eigentlich nicht spektakulär ist Joe O'Loughlin, der auch als Ich-Erzähler auftritt, ein einprägsamer Charakter. Seine Krankheit, die er gerne lakonisch als "Mr. Parkinson" bezeichnet, hat er zwar dank Medikamenten einigermaßen im griff, doch immer wieder verunsichert ihn ein kleines Zittern des Arms oder ein Versagen des Beines und nagt an seinem Selbstbewusstsein. Seine Ehe hat bereits unter den vergangenen brisanten Fällen gelitten und seine Frau wünscht sich, dass er sich nicht mehr auf Psychopathen einlässt. Für zusätzliches Konfliktpotential sorgen ihre beruflichen Reisen sowie Joes eigenmächtige Aufnahme der sechzehnjährigen Darcy. Da er den Tod von Christine Wheeler miterlebt hat, fühlt er sich zur Aufklärung verpflichtet, auch wenn er gleichzeitig spürt, dass er sich von seiner Frau entfremdet. Diese privaten Nuancen dominieren aber nie die Handlung, sondern halten sich angenehm dezent im Hintergrund. Ein gelungener Gegenpart zu Joe ist der sich mittlerweile im Ruhestand befindende Ruiz, der nur zu gerne wieder ins - wenn auch inoffizielle - Ermittlergeschehen eingreift. Ein bisschen behäbig, den Zigaretten und dem Alkohol zugetan und schnodderig auftretend scheint es eigenartig, wie gut er sich mit dem eher ernsten Geistesmenschen Joe versteht, aber die beiden bilden ein stimmiges Paar. Gerade Joes Schwächen sind angenehm, läuft man doch bei einem versierten Therapeuten als Hauptfigur schnell Gefahr, ihn zu souverän wirken zu lassen. Dabei muss Joes mehrfach einsehen, dass ihm sein Psychologenwissen nicht immer weiterhilft, vor allem nicht in seinem eigenen Leben.

Zwischendrin gibt es kurze Kapitel, die aus der Sicht des Mörders erzählt werden. Ganz allmählich formt sich vor den Augen des Leser eine Gestalt, die zu unvorstellbarer Grausamkeit fähig, auch nicht ganz frei von Gefühlen ist. Mag ihm auch das Charisma eines Hannibal Lecter fehlen, er ist durchaus eine interessante und vielschichtige Figur; kein Übermensch, aber ein hochintelligenter Mann, der seine Tagen genau plant und Joe und die Ermittler mehrmals in die Falle lockt.

Wenige Schwächen


Gegenüber den anderen Charakteren fällt Darcy ein wenig ab. Bei ihrem ersten Erscheinen ist sie noch überzeugend gezeichnet: Sie erfährt im Internat vom Tod ihrer Mutter, reißt kurzerhand aus und steht vor Joes Tür, mangels Familie ihre einzige Zuflucht, da sie sich von ihm Aufklärung über den angeblichen Selbstmord erhofft. Es passt auch noch, dass Joe in seiner Hilflosigkeit sie als Kindermädchen für seine Töchter einsetzt und ihr Bleiben somit vor sich selbst legitimiert. Dann aber verhält sich Dary unglaubwürdiger, zu gleichgültig angesichts ihres Verlustes. Selbstsicher bewegt sie sich in dem eigentlich völlig fremden Haushalt und wenn ihr trotzig-unbekümmertes Verhalten Folge ihres Schocks sein soll, ist das nicht wirklich überzeugend dargestellt. Die Tochter des zweiten Selbstmordopfer erlebt man nur sehr kurz, aber auch sie erscheint nicht ganz plausibel wie ein Kind, das gerade die Mutter verloren hat, sondern eher wie ein aufmüpfiger Teenager. Zudem ahnt der Leser schon ein wenig früh das Motiv des Täters, das zudem weit weniger originell ist als seine Vorgehensweise und ein bisschen die Klischees bemüht.

Fazit:

Ein sehr solider Psychothriller, der durch Spannung und gelungene Hauptcharaktere überzeugt. Die Kenntnisse der beiden Vorgängerbände sind nicht notwendig - kritisieren kann man eher, dass ein Nebencharakter nicht so überzeugt wie die anderen Figuren und das Motiv des Täter sehr schnell offenkundig wird. Insgesamt ein unterhaltsamer Roman für alle Freunde des Genres.

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