19. Juli 2012

Ohne jede Spur - Lisa Gardner

Produktinfos:

Ausgabe: 2011
Seiten: 544
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Die Autorin:

Lisa Gardner, Jahrgang 1971, schrieb zunächst eine Reihe von Liebesromanen, ehe sie auf das Thrillergenre umschwenkte. Sie lebt mit ihrer Familie in New Hampshire. Zu ihren Werken zählen u.a. "Der Schattenmörder", "Lauf, wenn du kannst" und "Kühles Grab".

Inhalt:


Sandy Jones und ihr Mann Jason sind auf den ersten Blick ein sehr adrettes Paar. Die junge und hübsche Sandy arbeitet als Lehrerin und ist bei Schülern wie Kollegen geschätzt und beliebt. Ihr Mann Jason ist Journalist, zusammen haben sie die süße Tochter Ree, die die Vorschule besucht. Als Jason frühmorgens von der nächtlichen Arbeit nach Hause kommt, ist Sandy spurlos verschwunden.

Die Polizei stellt sofort Untersuchungen an und die Ermittlerin Sergeant D.D. Warren stößt dabei auf einige merkwürdige Dinge: Das Haus ist übertrieben gegen Einbrüche gesichert und wirkt wie eine Festung. Jason Jones verhält sich seltsam teilnahmslos und verweigert die Kooperation. Obwohl die Joneses eine so ideale Familie zu sein scheinen, haben sie keine näheren Freunde.

Da keine Entführungsspuren gefunden werden, wird nicht ausgeschlossen, dass Sandy freiwillig verschwunden ist. Andererseits scheint es undenkbar, dass sie ihre kleine Tochter zurück gelassen hat. Die Polizei verfolgt mehrere Theorien - hat Jason Jones seine Frau ermordet? Oder ist der sexuell vorbestrafte Nachbar in das Verschwinden verwickelt? Und was hat die kleine Ree in der Nacht gesehen ...?

Bewertung:

Eine junge schöne Frau verschwindet spurlos - das hat man schon sehr oft im Thrillergenre erlebt. Lisa Gardner gelingt mit "Ohne jede Spur" eine recht originelle Umsetzung dieses Themas, denn hier ist nichts so, wie es zunächst erscheint.

Lange Zeit tappt der Leser im Dunkeln, ob es sich um eine Entführung, einen Mord oder ein freiwilliges Verschwinden handelt, wen man verdächtigen soll und was hinter allem steckt. Im Gegensatz zu den Ermittlern weiß der Leser dann recht früh zumindest, dass Jason seine Frau nicht ermordet hat und ihren Aufenthaltsort nicht kennt. Das allerdings nimmt kaum Spannung aus der Handlung heraus - denn zugleich erfährt man, dass Jason dennoch einige Geheimnisse hütet. Sehr reizvoll sind die immer wieder kursiv geschriebenen kurzen Passagen, in denen Sandra Jones rückblickend über ihre Ehe sinniert. Bald wird klar, dass die schöne Fassade der glücklichen Ehe wirklich nur ein Schein ist. Jason hat auch vor seiner Frau sehr große Geheimnisse, sie weiß nichts aus seiner Vergangenheit und er ist ihr in vielerlei Hinsicht ein Fremder. Obendrein wird angedeutet, dass Sandra auf dem Computer auf einen Hinweis gestoßen ist, dass ihr Mann in schreckliche Dinge verwickelt sein könnte. Was genau sie entdeckt hat, wird erst sehr spät verraten und hinter Jasons Geheimnisse kommt man ebenfalls erst am Schluss. Für den Leser ergibt sich ein ständiger Zwiespalt, wer von den Charakteren zu den guten und wer zu den bösen Figuren gehört - und allmählich wird immer deutlicher, dass man in diesem Roman vielleicht gar keine genaue Trennung zwischen Gut und Böse ziehen kann. Jason verhält sich ungewöhnlich teilnahmslos, was Sandys Verschwinden betrifft.

Andererseits scheint ihm seine kleine Tochter Ree alles zu bedeuten und sie schenkt ihm offenbar volles Vertrauen. Eine zwielichtige Gestalt ist auch der vorbestrafte Sexualtäter aus der Nachbarschaft - ein junger Mann, selbst kaum erwachsen, der Sex mit einer Vierzehnjährigen hatte und jetzt auf einer Stufe mit Pädophilen steht. Interessant sind die Einblicke in den Umgang mit vorbestraften Sexualtätern, über die strengen Auflagen bis hin zum Resozialisierungsprogramm. Es ist zwar klar, dass er nichts mit Sandys Verschwinden zu tun hat, aber man fürchtet zu Recht, dass er dennoch enorme Schwierigkeiten deswegen bekommen wird.

Bei allem Bemühen, den Thriller originell zu gestalten, ist die Autorin allerdings auch ein wenig über das Ziel hinausgeschossen. Zum einen erscheint es ziemlich unglaubwürdig, dass sich Sandy jahrelang damit zufrieden gibt, ihren Mann so wenig zu kennen - und das auch dann, wenn man in Betracht zieht, dass es keine klassische Liebesheirat zwischen ihnen war. Zum anderen ist das Ende recht hanebüchen geraten und wirkt ein bisschen wie ein actionlastiger Hollywoodblockbuster, der Glaubwürdigkeit ignoriert und stattdessen auf Effekte setzt. Der Schluss ist zu einfach und ein wenig zu konstruiert. Dazu kommt, dass die kleine Ree immer wieder zu reif für ihr Alter zu sein scheint, ein typisches Problem in solchen Romanen - wie andere Kinderfiguren auch nimmt Ree das Verschwinden ihrer Mutter zu gelassen und wirkt nur in seltenen Momenten wie ein kleines Mädchen. Man vermisst außerdem ein bisschen eine Identifikationsfigur. Jason Jones ist zu undurchsichtig; man weiß nicht, welche dunklen Geheimnisse er hütet und schwankt daher, ob man ihn sympathisch finden soll oder nicht. Auch die Ermittlerin D.D. Warren ist keine Figur, mit der man wirklich warm wird: Zu klein ist ihre Rolle, obgleich es bereits ihr dritter Fall in der Reihe ist und ihre ständigen Anspielungen auf ihre sexuelle Unbefriedigtheit nerven. Ein bisschen irritierend ist zudem die mehrfache Verwendung des Wortes "Päderast", wenn offenkundig "Pädophiler" treffender wäre.

Fazit:


Ein durchaus interessanter Thriller, der vom gängigen Schema abweicht und sich um Originalität bemüht. Er lässt sich leicht lesen und unterhält unterm Strich gut. Allerdings ist das Ende zu unglaubwürdig und aufgesetzt und es fehlt an einem Charakter, mit dem man sich wirklich identifizieren kann.

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