28. September 2012

Im Internat gibts keine Ruhe - Marie Louise Fischer

Produktinfos:

Ausgabe: 1971
Seiten: 102
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Die Autorin:

Marie Louise Fischer, 1922-2005, zählt zu den bekanntesten Autorinnen Deutschlands. Sie studierte zunächst Germanistik, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaften, ehe sie als Dramaturgin in Prag arbeitete. Mit 29 Jahren erschien ihr erster Roman. Seitdem verfasste sie mehr als hundert Bücher, vorwiegend Gesellschafts- und Frauenromane. Vor allem ihre meist mehrbändigen Mädchenromane wurden zu Klassikern innerhalb der Jugendbuchliteratur, z.B. die Reihen "Ulrike", "Klaudia" und "Michaela".

Inhalt:


Auf Schloss Hohenwartau, dem bayerischen Mädcheninternat, bereiten sich die Schülerinnen der Stufe 13 allmählich auf ihr Abitur vor. Die Clique besteht aus der vernünftigen, braungelockten Helga, die nur durch ein Stipendium auf das teure Internat gehen kann, der fröhlichen Babsy, Tochter afro-amerikanischer Opernsänger, der sportlich ambitionierten Ellen, der kecken Chinesin Kiki, der unscheinbaren rothaarigen Uschi, der strebsamen Ilse, der selbstbewussten Hannelore und Margot, die bereits verlobt ist - und nicht zuletzt aus der reichen, immer etwas hochnäsigen Yvonne.

Bis zum vergangenen Jahr waren Helga und Yvonne zwei ungleiche, aber dennoch sehr gute Freundinnen, die sich immer noch das Zimmer teilen. Im letzten Jahr aber kam der junge, gutaussehende Lehrer Herbert Jung, wegen seiner Vorliebe für Tweedjacken scherzhaft-liebevoll "Tweedy" genannt, ans Internat. Fast alle älteren Schülerinnen verliebten sich in ihn und Yvonne und Helga gerieten über die Schwärmerei in Streit.

Jetzt platzt eine Bombe: Tweedy hat sich verlobt - und zwar ausgerechnet mit Gertrude Pförtner, genannt "Trudchen", der unscheinbaren Tochter des Direktors. Die Mädchen sind nicht nur eifersüchtig, sondern auch noch fassungslos, dass ausgerechnet die farblose Trudchen ihnen allen vorgezogen wird. Sie fühlen sich regelrecht betrogen von dem charmanten Lehrer und schmieden Rachepläne. Während Yvonne dabei besonders perfide vorgeht und vor nichts zurückschreckt, leidet Helga eher im Stillen - hat sie sich wirklich nur eingebildet, dass Tweedy etwas für sie empfindet ...?

Bewertung:

Nach "Wirbel im Internat" legte Marie Louise Fischer hier den zweiten und abschließenden Band um Internat Hohenwartau vor. Während der erste Band in so mancher Hinsicht ziemlich schwach geraten ist, kann dieser Roman ein bisschen mehr überzeugen, auch wenn es im Schaffen der Autorin einige bessere Bücher gibt.
Das Buch schließt zwar thematisch und zeitlich an den Vorgänger an, doch alle wichtigen Ereignisse aus dem ersten Band werden hier in Kurzform aufgegriffen, sodass es durchaus möglich ist, ihn ohne Vorkenntnisse zu lesen.

Anders als bei den meisten Jugendbüchern Fischers sind es keine Mädchen von 12-14 Jahren, die hier im Mittelpunkt stehen, sondern achtzehnjährige junge Damen. Daher dreht sich das Buch auch weniger um Schulprobleme, sondern noch viel stärker als ihre anderen Mädchenromane um Liebe und Beziehungen. Besonders realistisch ist das Verhalten der Schülerinnen zwar nicht unbedingt, aber dennoch unterhaltsam: Sie sind so empört über Tweedys "Verrat", dass sie eine Reihe von Plänen schmieden, um ihm zu zeigen, dass sie sich verletzt und hintergangen fühlen. Die meisten von ihnen haben mindestens einmal in der Vergangenheit geglaubt, dass Tweedy ihnen schöne Augen machte - und sie empfinden es als Täuschung, dass er sich dann mit einer ganz anderen verlobt. Dass Gertrude Pförtner die Auserwählte ist, macht es nicht besser - denn die eher burschikose, farblose junge Frau scheint ihnen überhaupt nicht zum flotten, dynamischen Tweedy zu passen. da liegt der Verdacht nah, dass er sich nur mit ihr verlobt, weil sie die Tochter des Internatsdirektors ist und er sich schon in dessen Nachfolge sieht - für die Mädchen ist das ein doppelt verwerflicher Gedanke. Besonders schlimm trifft sie auch der Gedanke, dass Tweedy vielleicht schon seit Längerem mit Trudchen liiert ist und nur wegen ihr überhaupt aufs Internat kam - und sie alle von Anfang an ohne jede Chance waren.

Ihr erster Streich besteht in einem erbitterten Schweigen, das sie Tweedy in der Unterrichtsstunde entgegen bringen. Egal welche Frage er stellt und wen er direkt aufruft, sie starren ihn nur stumm an - selbst Ilse, der gute Noten sonst über alles gehen und die sich gehörig auf die Zunge beißen muss. Das aber scheint ihnen als alleinige Rache nicht angemessen. Der zweite Streich ist schon wesentlich brenzliger: Sie warten, bis Tweedy wie so oft abends alleine seine Runden in der Schwimmhalle zieht. Dann löschen sie das Licht und fallen im Wasser über ihn her und drücken ihn kurz unter Wasser, um ihn Angst einzujagen, was seine Wirkung nicht verfehlt. Trudchen ist außer sich vor Empörung, Tweedy dagegen versucht sie zu beruhigen. Allmählich wird ihm klar, dass seine Schülerinnen die Verlobung noch schlimmer auffassen als befürchtet. Er ahnt noch nicht, dass der richtige Ärger erst für ihn losgeht.

Yvonne ist nämlich nicht bereit, sich mit den bisherigen Maßnahmen zufrieden zu geben. Sie sucht Tweedy abends heimlich in dessen Privatwohnung auf, spärlich bekleidet mit einem dünnen Nachthemd und versucht ihn zu verführen - als dies misslingt, beschuldigt sie ihn später der Vergewaltigung und droht ihn zu ruinieren. Niemand ahnt, dass ausgerechnet Helga weiß, dass Yvonne lügt - denn sie war selbst zufällig, von Yvonne unbemerkt, Zeugin des Geschehens. Helga war kurz zuvor in Tweedys Wohnung gekommen, allerdings nicht aus zweifelhaften Absichten heraus wie ihre ehemalige Freundin, sondern um ihn vor dem dritten Streich der Clique zu warnen. Das allerdings nützt Tweedy nichts, denn Helga als Zeugin würde nur neue Fragen aufwerfen, ob wiederum sie wirklich aus harmlosen Gründen in seiner Wohnung war. Für Tweedy eine furchtbare Situation, für Helga aber auch - denn sie merkt allmählich, dass sie immer noch nicht ihre Hoffnungen und Gefühle begraben kann.

Helga ist eindeutig der sympathischste Charakter im Buch, neben der immer fröhlichen und offenen Babsy. Yvonne ist die Intrigantin, die anderen Mädchen bleiben charakterlich ein bisschen blass und sind recht stereotyp. Tweedy macht hier zumindest einen besseren Eindruck als im ersten Band - da nämlich flirtete er durchaus ein bisschen zu sehr mit seinen Schülerinnen, ging mit Yvonne beispielsweise tanzen und mit Helga lange im Park spazieren. Es war wirklich nicht verwunderlich, dass sich die Mädchen dadurch etwas erhofften und sein Verhalten war einem Lehrer nicht gerade angemessen, auch wenn er sich dessen nicht bewusst zu sein schien. Hier allerdings verhält er sich besser, erkennt teilweise seine Fehler und nimmt seine Schülerinnen beispielsweise trotz ihrer Streiche in Schutz.

Die Geschichte ist nicht gerade realitätsnah, das Verhalten der Mädchen dick aufgetragen - die Enttäuschung ist verständlich, die Reaktionen daraufhin sind aber reichlich übertrieben, der Überfall im Schwimmbad gar kriminell und es wirkt teilweise belustigend, wie sehr sich die Mädchen, immerhin Abiturientinnen und keine Frühpubertierenden, in ihre Rachegedanken herein steigern. Ernst nehmen darf man das Buch nicht, aber es ist leichte Unterhaltung.

Fazit:

Leicht zu lesender Internatsroman, der auch ohne den Vorgänger gelesen werden kann. Alles andere als hohe Literatur, aber ganz unterhaltsam für Freunde dieser Art von Mädchenromanen.

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