30. Januar 2014

Spinnenfalle - Nina Schindler

Produktinfos:

Ausgabe: 2010, cbt
Seiten: 304
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Die Autorin:

Nina Schindler arbeitete zunächst als Gesamtschullehrerin, ehe sie sich in den Neunzigerjahren dem Schreiben widmete. Aus ihrer Feder stammen sowohl Sachbücher wie "Das Überlebensbuch für Eltern" auch auch zahlreiche Kinder- und Jugendbücher wie "Mauerblümchenalarm", "Liebe lebensgefährlich" und "Karlas Jacke".

Inhalt:

Die vierzehnjährige Alexandra Koopmann, genannt Alex, freut sich zunächst, als das russische Aupair-Mädchen Ljuba in ihre Familie kommt. Sie hofft, dass Ljuba ihr wie eine ältere Schwester wird und sie mit ihr viel unternehmen und über Jungs quatschen kann.

Doch es kommt alles anders als gedacht: Die hübsche Ljuba wirkt zwar sehr sympathisch, zeigt aber ausgerechnet an Alex kein Interesse. Liebend gern macht sie mit den siebenjährigen Zwillingen Katharina und Kristina Ausflüge, auch die Herzen der Eltern und von Daniel, Alex' älterem Bruder, fliegen ihr rasch zu. Gegenüber Alex zeigt sie sich aber trotz deren Bemühungen kühl.

Nach Alex' erster Enttäuschung wird es noch zunehmend schlimmer. Ljuba scheint keine Gelegenheit auszulassen, Alex vor Familie und Freunden ins schlechte Licht zu rücken. Immer häufiger steht bei den beiden Aussage gegen Aussage und Alex' Umfeld schenkt Ljuba Glauben, während Alex als hysterisch und eifersüchtig gilt. Alex wird immer verzweifelter, zumal sie ahnt, dass mit Ljuba etwas nicht stimmt - was bezweckt das Aupair-Mädchen mit seinen Lügen und warum durchsucht es heimlich die Zimmer der Koopmanns ...?

Bewertung:

Jugendgeeignete Thrillerelemente und Teenagerstoff vermischen sich in "Spinnenfalle" zu einem soliden, aber nicht überwältigenden Gesamtpaket.

Die Handlung hält sich nicht lange mit Vorgeplänkel auf, sondern geht im medias res. Hauptfigur Alex fungiert als Ich-Erzählerin, die schnell einen Überblick über ihr Leben gibt: Alex ist ein etwas burschikoses Mädchen, unerfahren mit Jungs, recht glücklich in ihrer Familie, auch wenn es hin und wieder Stress im Sechs-Personen-Haushalt gibt. Ihre Gedankengänge sind zunächst gut nachvollziehbar: Alex ist zunächst nicht begeistert, dass ein Aupair einzieht, zumal die Fremde auch noch mit ihr im Keller wohnen und sich ein Bad mit ihr teilen wird. Dann jedoch verspürt auch Alex etwas Vorfreude und erhofft sich in Ljuba eine gute Freundin. Ljubas abweisende Reaktionen sind anfangs sehr subtil und der Leser kann sich gut in Alex' Verwirrung hineinversetzen, vor allem bezüglich der Frage, ob Alex überinterpretiert oder Ljuba sie wirklich nicht mag.

Der Roman bietet durchaus eine gewisse Spannung, insbesondere als sich Ljubas Intrigen steigern und man ihr kriminelle Handlungen zutraut. Im Raum stehen die Fragen, wen Ljuba alles bezirzen und gegen Alex aufbringen wird, wie Alex reagiert und welchen Zweck die Russin damit verfolgt. Der Leser ist Alex' Verbündeter, als Einziger weiß er von der Ungerechtigkeit, während Alex' Freunde und Familienmitglieder - in unterschiedlichem Ausmaß - eher Ljubas Darstellungen glauben. Teilweise ist dies sogar verständlich, denn die hübsche Ljuba besitzt Charme, ihre Situation - weit weg von ihrer Heimat - weckt Mitgefühl und Verständnis, sie scheint nie müde, die quirligen Zwillinge zu betreuen, ist eine Perle im Haushalt und zeigt nie vor Dritten, wie sie wirklich über Alex denkt.

Daneben wird jugendliche Leserinnen in Alex' Alter sicher vor allem ihre Anbändelei mit Klassenkamerad Marlon Vergnügen bereiten. Die unerfahrene Alex wagt kaum zu hoffen, dass der begehrte Marlon sich für sie interessieren könnte. Als er sie dann um Nachhilfe bittet, ist Alex überwältigt und erst recht, als sich daraus mehr ergibt. Alex' Unsicherheiten in Bezug auf Marlon und ihre Sorge vor der möglichen Eifersucht er beiden besten Freundinnen, die Marlon ebenfalls reizvoll finden, werden realistisch geschildert und bieten eine gute Identifikationsgrundlage. Daneben gibt es auch ein paar kleine kulturelle Einblicke in Marlons philippinische Herkunft und die Schwierigkeiten, die sich für ausländische Jugendliche auftun, wenn sie erst seit wenigen Jahren in Deutschland leben.

Vor allem im zweiten Teil allerdings schwächelt das Buch und das liegt vorwiegend an der Thrillerhandlung. Zunächst einmal wird mit den ständigen Vorausdeutungen auf das kommende Unheil reichlich übertrieben - immer wieder erwähnt Alex, dass mit Ljuba alles anders kommen sollte als erhofft, dass sich alle getäuscht haben, dass sich die Lage noch gehörig verschlimmern wird. Im Vergleich dazu nimmt sich dann Ljubas tatsächlicher Beweggrund für ihr Verhalten relativ harmlos und unspektakulär aus. Sowohl die Mittel, zu denen Ljuba greift als auch ihr dubioses Umfeld laden zu dramatischen Spekulationen ein - doch statt einer Aufsehen erregenden Enthüllung ist der Hintergrund schließlich eher enttäuschend. Zudem kommt er nicht einmal überraschend, denn einige von Ljubas Aktionen im Haus ist sehr verräterisch und lockt den Leser, anders als Alex, sofort auf diese Fährte.

Ljubas Vorgehen ist teilweise sehr geschickt, an manchen Stellen aber doch wieder viel zu riskant - insbesondere, wenn sie die siebenjährigen Zwillinge zu Mitwissern bei geheimen Treffen macht und sich darauf verlässt, dass diese sie nicht verraten. Es ist nicht recht überzeugend, wie leicht es ihr gelingt, Intrigen anzuleiern. So richtet sie mehrfach Alex falsche Botschaften von Freunden aus und behauptet anschließend, sie habe etwas missverstanden und alle außer Alex geben sich damit zufrieden - glaubwürdig ist dies nicht.

Fazit:


Alles in allem ein durchschnittlicher Jugendthriller für Leser um die vierzehn Jahre. Das Grundthema ist reizvoll, wird aber allenfalls solide umgesetzt. Leicht zu lesen und ein ordentlicher Zeitvertreib, solange man keine höheren Ansprüche stellt.

22. Januar 2014

Pumuckl und die Gummi-Ente/Der Blutfleck auf dem Stuhl

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Inhalt:

a) Pumuckl und die Gummi-Ente

Pumuckl entdeckt in einem Laden eine Schwimmente aus Plastik. Er ist ganz begeistert und berichtet sofort dem Meister Eder davon. Schließlich ist Eder bereit, dem Kobold die Ente zu kaufen. In der Werkstatt bläst er sie auf und setzt sie in eine Wanne mit Wasser.

Pumuckl ist hocherfreut, als Meister Eder ihn auf die Ente setzt und er mit ihr durchs Wasser reiten kann. Nach einer Weile muss Eder einen Kunden besuchen. Pumuckl hat zunächst weiter Spaß mit seiner Ente. Ein Problem ergibt sich aber, als er alleine aufsteigen muss - ohne Eders Hilfe funktioniert es nicht, weil die Ente immer wegrutscht. Der frustrierte Pumuckl holt eine Gabel und sticht die Ente damit. Prompt geht das Gummitier kaputt und verliert seine Luft.

Kurz darauf kommen die beiden Jungen Fritz und Thomas in die Werkstatt, die etwas von Eder abholen wollen. Als sie die kaputte Ente entdecken und daraus einen Springbrunnen basteln wollen, vertreibt der unsichtbare Pumuckl sie. Wenig später kommt Meister Eder zurück und sieht die kaputte Ente. Pumuckl erzählt von den beiden Jungen und Eder glaubt, dass die beiden das Loch hineingestochen haben ...

b) Der Blutfleck auf dem Stuhl

Zu Meister Eder kommt eine Kundin in die Werkstatt, die beim Umschauen alle möglichen Gegenstände anfasst. Dabei schneidet sie sich an einem Spiegel in die Hand. Erschrocken setzt sie sich auf den nächstbesten Stuhl - zu Eders Entsetzen ausgerechnet auf den antiken Stuhl mit Gobelinüberzug, den er für einen Kunde repariert hat.

Dabei fallen ein paar Blutstropfen auf den edlen Bezug. Meister Eder ist empört, die Kundin dagegen scheint die Aufregung nicht zu verstehen. Eder weiß, dass der Stuhl nur von einer professionellen Reinigung gerettet werden kann und lässt sich von der Kundin ihren Namen geben, um die Reinigung in Rechnung zu stellen.

Nachdem sie gegangen ist, sucht Eder fieberhaft im Telefonbuch nach einer Reinigungsfirma, die diesen heiklen Auftrag übernimmt. Als ihm dies endlich geglückt ist, kommt überraschend der Kunde vorbei. Panisch trägt Meister Eder dem Pumuckl auf, den Stuhl in jedem Fall für den Besitzer zu verdecken, damit der das Unglück nicht sieht ...

Bewertung:

"Pumuckl und die Gummi-Ente" ist eine recht typische Folge in Pumuckls Œuvre - alles beginnt harmlos, Pumuckl handelt dann zu unbedacht und schwindelt, um sich einer unangenehmen Situation zu entziehen, was schließlich aber alles noch komplizierter macht.

Die Begeisterung für die Gummi-Ente ist niedlich anzuhören und man kann sich gut vorstellen, wie viel Spaß der kleine Kerl mit seinem Planschtier hat, auf dem er wegen seiner Größe bequem reiten kann. Als es dann aber Probleme gibt, handelt Pumuckl wie so oft zu spontan und unüberlegt. Anstatt sich zu gedulden, bis Meister Eder wiederkommt, sticht er kurzerhand mit der Nadel in das Gummitier, um es für seinen Ungehorsam zu bestrafen. Zu spät begreift Pumuckl, was er damit anrichtet. Das Schlimme ist dann aber die Lüge gegenüber Meister Eder: Die beiden Jungen erscheinen ihm als ideale Sündenböcke und er lässt Eder im Glauben, dass sie nicht nur die kaputte Ente begutachtet haben, sondern selbst das Loch hineingestochen hätten. Meister Eder schimpft natürlich mit den Jungen, als sie erneut in die Werkstatt kommen und die wiederum wehren sich gegen diese Ungerechtigkeit.

Die Folge ist weniger spannend als vor allem lehrreich: Kinder bekommen hier demonstriert, wie schnell man durch eine scheinbare Notlüge in noch größeren Ärger geraten kann als wenn man direkt die Wahrheit gesagt hätte. Sicher ist es verführerisch, jemand anderem eine Schuld anzuhängen, aber man sieht, dass dies nicht der richtige Weg ist. Auch lernen Kinder hier, dass Ungeduld zu Scherereien führen kann. Pumuckl hätte nur warten müssen, bis Eder wiederkommt und ihn auf die Ente heben kann - dann hätte er sich eine Menge Ärger erspart. Die Situation im Hörspiel ist sehr realitätsnah und könnte sich so ähnlich durchaus auch bei den kleinen Hörern abspielen. Die TV-Version ist vor allem bekannt wegen der Gastauftritte von Helga Feddersen als Spielzeugverkäuferin und Karl Dall als Kunde - diese Szene hätte man sich aber durchaus sparen können, weil sie für die Serie einfach zu albern ist.

"Der Blutfleck auf dem Stuhl" bietet dazu einen inhaltlichen Kontrast. Hier ist es mal nicht der Pumuckl, der einen Fehler begeht, sondern eine Kundin, die sich erst zu unvorsichtig benimmt und sich dann ihrer Verantwortung entziehen möchte. Die Folge ist einerseits ebenfalls lehrreich: Kinder bekommen gezeigt, dass man nicht unbedingt vom Äußeren auf die Integrität einer Person schließen kann. Die Dame ist sehr schick gekleidet und erweckt einen eleganten Eindruck - als sie dann aber die Rechnung für die Reinigung übernehmen soll, benimmt sie sich alles andere als fein.

Die Folge ist zudem auch witzig und spannend. Meister Eder hat mal wieder eine brenzlige Situation zu meistern, als er den Fleck vor dem Kunden mit allen Mitteln verbergen muss und ausnahmsweise ist dafür nicht der Pumuckl verantwortlich. Eder und sein Kobold lassen sich einiges einfallen, um den Schaden zu verstecken, was auf den Kunden natürlich recht eigenartig wirkt - etwa wenn eine Zeitung sich partout nicht entfernen lässt, weil der unsichtbare Kobold darauf hockt oder sich Eder kurzerhand auf den Stuhl setzt und sich auch zur Verabschiedung nicht mehr weg bewegt. Der Ausgang der Geschichte ist so nicht vorherzusehen. Es gibt hier zwar kein komplettes Happy End, dies ist aber wiederum für die Lehre nicht schlecht. Schade, dass diese Folge keine TV-Umsetzung erhalten hat, es hätte sich gewiss gelohnt.

Fazit:


Zwei sehr gute Folgen, von denen die erste vor allem durch ihren lehrreichen Charakter überzeugt, während die zweite noch besonders viel Witz und Spannung aufweist. Sicherlich mit die besten und unterhaltsamsten Episoden aus der Pumuckl-Reihe und immer wieder schön zu hören.

Sprechernamen:


Pumuckl - Hans Clarin
Meister Eder - Gustl Bayrhammer
Erzähler - August Riehl
Fritz - J. Fischer
Thomas - Florian Halm
Frau - Erni Singerl
Frauenstimme - Katharina de Bruyn
Herr Greiner - Fritz Strassner
Mann - Alexander Malachovsky
Frau Sichelhammer - Lilian Westphal

12. Januar 2014

Komm, spiel mit mir - Paddy Richardson

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Produktfakten:

Ausgabe: 2012
Seiten: 429

Die Autorin:

Die Neuseeländerin Paddy Richardson arbeitete viele Jahre lang als Dozentin für Englische Literatur und Kreatives Schreiben. Nach "Der Frauenfänger" ist "Komm, spiel mit mir" ihr zweiter in Deutschland veröffentlichter Thriller.

Inhalt:

Die vierzehnjährige Stephanie und ihre Familie verbringen einen Sommertag mit Grillen und Baden am See. Während ihre Mutter Minna sich sonnt und die jüngeren Brüder spielen, passt Stephanie wieder einmal auf die vierjährige Schwester Gemma auf. Zwischen all den anderen Familien verliert Stephanie Gemma allerdings kurz aus den Augen. Als die Familie bald darauf nach Hause fahren will, ist das Mädchen verschwunden.

Gemmas Familie sucht die Gegend um den See ab, viele Freiwillige helfen, die Polizei wird verständig - doch Gemma bleibt verschwunden, niemand hat sie gesehen. Vor allem Stephanie ist verzweifelt und fühlt sich schuldig. Der Fall wird schließlich abgeschlossen; Gemma gilt als im See ertrunken, obwohl nie eine Leiche gefunden wurde.

Siebzehn Jahre später: Stephanie ist inzwischen als Psychiaterin an einer Klinik tätig. Ihre neue Patientin Beth entpuppt sich als besonders schwieriger Fall; lange Zeit will Beth nicht über ihre Probleme sprechen. Mit viel Geduld gelingt es Stephanie, ihr Vertrauen zu gewinnen. Es stellt sich heraus, dass auch Beth eine kleine Schwester hatte, die spurlos verschwand und angeblich ertrunken ist. Stephanie entdeckt immer mehr Parallelen zwischen den beiden Fällen - und ihr kommt allmählich ein Verdacht, wer der Täter sein könnte ...

Bewertung:


Paddy Richardsons Roman besitzt an sich alle Zutaten für einen hervorragenden Psychothriller, denn verschwundene kleine Kinder emotionalisieren so stark wie kaum ein anderes Thema - dennoch kann das Werk nur in Teilen überzeugen, auch wenn er wochenlang die neuseeländische Bestsellerliste anführte.

Dabei ist der Anfang durchaus vielversprechend und zieht den Leser direkt in die sommerliche Szenerie hinein: Grillende Familien am See, spielende Kinder, sonnenbadende Mütter und Teenager. Als Gemma beim Aufbruch nicht zu finden ist, ahnt zunächst niemand etwas Böses. Erst als sich die Familien nach und nach in ihre Autos setzen und niemand Gemma in den letzten Minuten gesehen hat, bricht langsam Panik aus. Der entspannte Sommertag wandelt sich in eine hektische Suchaktion und am Ende des Tages ist bei Gemmas Familie nichts mehr so, wie es mal war. In diesem frühen Stadium fällt es dem Leser leicht, sich mit Stephanie zu identifizieren. Die Vierzehnjährige fühlt sich mehr als alle anderen verantwortlich für das Verschwinden der kleinen Schwester, auf die sie so oft aufpassen musste. Stephanies unwillige Reaktionen auf die kritischen Fragen der Polizei und ihre Hilfslosigkeit sind gut nachvollziehbar - Stephanie erscheint als überforderter Teenager, der sich nicht damit abfinden kann und möchte, dass seine kleine Schwester einfach ertrunken und unauffindbar ist. Zu diesem Zeitpunkt ist nicht ersichtlich, was tatsächlich mit dem kleinen Mädchen geschehen ist, ob sie jemand am See entführt hat oder ob es sich doch um einen Unfall handelt.

Dem Roman ist zugute zu halten, dass dieser Spannungsaspekt bis kurz vor Schluss erhalten bleibt. Stephanie entwickelt zwar einen dringenden Verdacht, doch es ist lange Zeit unklar, ob er sich bewahrheiten wird - und wenn ja, auf welche Weise Stephanie dies gelingt. Vor allem auf den letzten siebzig Seiten wird die Spannungsschraube noch einmal angezogen, die Ereignisse spitzen sich zu und es kommt endlich die ersehnte Thrilleratmosphäre auf. Gut herausgestellt werden auch die kleineren und größeren Konflikte innerhalb der Familie, die teilweise schon vor Gemmas Verschwinden für Probleme sorgten - Minnas Flirts und Affären mit anderen Männern und ihre Probleme mit dem Altern, Stephanies teenagertypische Unsicherheiten, Vater Daves Abwesenheit beim Picknick und seine daraus resultierenden Selbstvorwürfe. Gemmas Verschwinden ist zu viel für die ohnehin schon belastete Familie, es kommt unweigerlich zum Bruch.

Leider bedeutet der Zeitsprung von siebzehn Jahren in der Handlung zunächst einmal einen Rückschritt in der Qualität. War Stephanie als Teenager eine Figur, deren Handlungen sehr plausibel erschienen, fällt es zunehmend schwer, sich in sie hineinzuversetzen. Sicher ist es logisch, dass sie Gemmas Verschwinden noch nicht verarbeitet hat und zu einer zwar erfolgreichen Psychiaterin, aber auch zu einem bindungsunfähigen Workaholic geworden ist. Trotzdem fällt es nicht leicht, in ihre Gedankenwelt hinabzutauchen und sie bleibt vor allem zu blass als führende Protagonistin. Als Erwachsene ist Stephanie deutlich weniger sympathisch denn als unsicherer Teenager. Sie ist absolut kein Charakter, der länger im Gedächtnis bleibt und trotz ihrer tiefgehenden Probleme bleibt ihre Darstellung doch oberflächlich.

Des Weiteren schwankt die Handlung recht unentschlossen zwischen Thriller und Psychogramm. Vor allem in der Mitte des Romans liegt der Fokus auf Stephanies Selbstfindung, die Handlung gerät ins Stocken, die halbherzig eingebaute Liebesgeschichte wirkt unnötig. Interessanter sind eindeutig die Passagen, die sich mit der konkreten Suche nach Gemmas möglichem Entführer und Mörder befassen. Hier allerdings ist das Geschehen wiederum oft zu konstruiert. Stephanie muss gar keine Liste von Verdächtigen aufstellen, sondern bekommt durch ihre Patientin Beth den Namen des Mannes, der sowohl Gemma als auch Beth' Schwester kannte, auf dem Silbertablett präsentiert. Als derjenige zunächst unauffindbar ist, steigt die Spannung, doch dann gelingt es Stephanie im Gegenzug viel zu einfach, ihn ausfindig zu machen. Hier wurde die Möglichkeit verschenkt, Stephanie durch Recherchen und Überlegungen selbst auf den potentiellen Täter kommen zu lassen. Der Leser wird durch die Frage nach Gemmas Schicksal zwar bei der Stange gehalten, doch schleppt sich die Handlung immer wieder unnötig langsam dahin.

Gewöhnungsbedürftig ist darüber hinaus der durchgängige Präsensstil. In einer Kurzgeschichte, einem Gedicht oder in dramatischen Romansequenzen mag die Gegenwartsform ideal sein - in einem Werk von mehreren hundert Seiten, dessen erzählte Zeit sich über einen längeren Raum erstreckt, weckt sie eher einen Eindruck von Unruhe. Bei ansonsten großartigen Romanen mag dies nicht ins Gewicht fallen - hier dagegen ist es weiterer Kritikpunkt, der den Thriller nicht über den Durchschnitt hinaus hebt.

Fazit:


Ein thematisch interessanter Thriller, der allerdings nur zu Anfang und gegen Ende wirklich überzeugen kann. Der Mittelteil ist häufig zu langatmig, der Zufall spielt eine zu große Rolle, die Hauptfigur kann nur bedingt berühren. Für Genreleser solide Unterhaltung, sofern die Erwartungshaltung nicht zu hoch ist, aber es gibt zahlreiche weitaus bessere Thriller dieses Themas.

2. Januar 2014

Bibi Blocksberg - Der verhexte Kalender

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Inhalt:

Es ist kurz vor Silvester in Neustadt, und der Bürgermeister plant einen großen Empfang. Dazu kündigt er auch einen Ehrengast als besondere Überraschung an. Das Problem ist allerdings: Der Bürgermeister hat gar keinen Ehrengast auftreiben können und überlegt fieberhaft, wen er am nächsten Tag den Neustädtern präsentieren soll.

Unterdessen haben auch die Blocksbergs ihre Probleme mit der diesjährigen Silvesterfeier: Barbara möchte nämlich zu gerne am Hexentanz teilnehmen. Bernhard dagegen besteht darauf, dass die Familie gemeinsam feiert. Da kommt Bibi die Idee, einfach zwei Silvester zu hexen. Zuerst kann dann Barbara am Hexentreffen teilnehmen, und tags darauf wird es erneut der 31. Dezember sein, sodass Familie Blocksberg sich gemeinsam das Feuerwerk anschauen kann. Bernhard ist davon nicht begeistert, Barbara umso mehr.

In seiner Not bittet der Bürgermeister Bibi um Hilfe. Sie verspricht ihm, einen Ehrengast herbeizuhexen, und führt zudem gemeinsam mit ihrer Mutter die Silvester-Hexerei durch. Kurz darauf erscheint der freundliche Roboter Roby Delta X, der Präsident einer Mondstation aus dem Jahr 3112. Alles scheint gut gelaufen zu sein - doch dann stellt sich heraus, dass es bei dem Hexspruch einen Fehler gegeben hat: Es gibt nicht nur ein zweites Silvester, sondern auch in den Tagen darauf ist es immer wieder der 31. Dezember ...

Und täglich grüßt der Roboter

Wenn es schon Weihnachts- und eine Osterfolge bei Bibi Blocksberg gibt, liegt eine Silvesterfolge natürlich nah.

Bibi ist bekanntlich immer gerne bereit, große und gewagte Hexereien durchzuführen. Ein doppeltes Silvesterfest klingt da besonders verlockend, aber wie so oft sorgt ein kleiner Fehler beim Hexspruch dafür, dass die Wirkung anders ausfällt als geplant: Neustadt steckt nach bester Murmeltiertag-Tradition in einer Zeitschleife fest. Ein zweites Mal Silvester zu feiern mag ja recht nützlich und lustig sein - aber spätestens nach dem vierten 31. Dezember hintereinander ist den Blocksbergeltern der Silvester-Spaß gründlich vergangen. Bibi hat dagegen ihren Spaß, denn mit Roby versteht sie such ausgesprochen gut. Roby saugt begierig alle Informationen über Hexerei auf und gibt manch drolligen Kommentar von sich, etwa wenn er in seiner rationalen Art das Blocksberg-Haus als "Hexenbasis" bezeichnet. Bibi möchte ihren intergalaktischen Freund am liebsten gar nicht mehr hergeben, auch wenn sie ahnt, dass der Tag der Rückreise in seine Zeit kommen wird. Die Folge ist recht humorvoll angelegt, und es ist sympathisch, dass Bibi sich hier wieder einmal als nicht unfehlbare Hexe präsentiert.

Die Geschichte hat also zweifellos ihre guten Momente, ist aber insgesamt allenfalls durchschnittlich. Zu den Hauptproblemen zählt, dass sich die Handlung aus zwei unterschiedlichen Elementen zusammensetzt, obgleich jedes für sich schon ausreichend gewesen wäre: Einerseits dreht sich die Folge um eine Zeitschleife, die die Blocksbergs nicht ohne Weiteres beenden können, andererseits bekommt Neustadt Besuch aus der Zukunft in Form eines Roboters. Das Zusammenspiel dieser beiden Ereignisse ist kein Gewinn für die Episode, lieber hätte man daraus zwei separate gemacht. Indes ist der Teil mit der Zeitschleife unspektakulärer, als es klingt, zumal nur die Blocksbergs und Karla Kolumna überhaupt davon wissen - für die anderen Neustädter ist mit jedem neuen Silvestertag der gestrige vergessen, sodass es keine allgemeine Verwunderung über das Phänomen gibt.

Des Weiteren ist Roby nun zwar ein sympathischer Geselle, aber seine blecherne Klischee-Roboterstimme mit der abgehackten Sprechweise ist auf Dauer recht enervierend. Liebenswert ist er, unvergesslich wie Boy Lornsens Fliewatüüt-Robbi ist er allerdings wiederum nicht. Zudem ist es eher irritierend, dass Bibi und Barbara eine solch gravierende Hexerei wie ein doppeltes Silvesterfest durchführen. Eigentlich wird bei den Blocksbergs eher in Notfällen gehext, und es ist nicht gerade typisch für Barbara, dass sie eine so unkonventionelle Hexerei unterstützt - es passt nicht wirklich in den grundlegenden Charakter der Serie.

Zu guter Letzt nervt es, dass immer wieder und wieder von der "Jahrtausendwende" gesprochen wird, obwohl es sich um das Silvester von 1999 handelt. Den Machern ist dies zwar bewusst, denn Bernhard Blocksberg weist einmal kurz darauf hin, dass das neue Jahrtausend tatsächlich erst 2001 beginnt - aber Bernhard wird hier eher als Spielverderber dargestellt und seine Richtigstellung von den anderen Charakteren übergangen. Schade also, dass Kiddinx hier mit dem Trend zur falschen Darstellung gegangen und auf den verfrühten Millennium-Zug aufgesprungen ist.

Fazit:

Eine gut gemeinte, aber doch höchstens durchschnittliche Bibi-Folge, die an positiven Aspekten kaum mehr als anfängliche Silvesteratmosphäre und ein paar witzige Szenen bietet. Die Handlung ist nicht sonderlich aufregend, die Zeitschleife nervt auf Dauer und hätte mehr Potenzial geboten, die Roboterfigur ist keine herausragende Nebenfigur.

Sprechernamen:

Bibi Blocksberg: S. Bonasewicz
Bürgermeister: H. Giese
Barbara Blocksberg: H. Bruckhaus
Sekretär Pichler: W. Herbst
Bernhard Blocksberg: G. Weber
Roby: B. Schalla
Karla Kolumna: G. Fritsch
Erzähler: G. Schoß