29. August 2014

Peter Schlemihls wundersame Geschichte - Adelbert von Chamisso

Produktinfos:

Ausgabe: 1984 (Erstausgabe: 1814)
Seiten: 96
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Der Autor:

Adelbert von Chamisso (1781-1838) gilt nicht nur als einer der wichtigsten Dichter der Romantik, sondern war auch ein berühmter Naturforscher. Peter Schlemihl ist sein bekanntestes Werk, daneben verfasste er vor allem Gedichte.

Inhalt:

Gerade von einer Seereise zurückgekehrt, wird der junge Peter Schlemihl von dem wohlhabenden Kaufmann Herrn John zu einer Gartengesellschaft eingeladen. Peter lernt dort einen geheimnisvollen Herrn in Grau kennen, der ihm ein seltsames Angebot macht: Peter soll ihm seinen Schatten verkaufen. Als Preis bietet der Graue ihm ein Glückssäckel, aus dem er so viel Goldstücke hervorziehen kann, wie es ihm beliebt.

Peter willigt gerne ein, da er in seinem Schatten keinen wirklichen Nutzen sieht. Doch schon kurz darauf muss er seine Meinung ändern: Seine Mitmenschen bemerken seine Schattenlosigkeit und ahnen, dass dies nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann - prompt halten sie sich von Peter fern. Sogar Beschimpfungen muss er sich anhören. Nur sein treuer Diener Bendel hält zu ihm und hilft ihm, die Schattenlosigkeit so gut es geht zu verbergen.

Noch schwieriger wird die Lage, als sich Peter in die schöne Mina verliebt. Sie erwidert seine Gefühle, doch er fürchtet stets, dass sie seinen fehlenden Schatten bemerkt. Schließlich verrät ihn auch noch sein zweiter Diener Rascal. Peter hofft, endlich den grauen Herrn wiederzutreffen, um den Handel irgendwie rückgängig machen zu können ...

Tausche Schatten gegen Glückssäckel

Wer hätte es nicht gern, ein Glückssäckel, das unendlich viele Goldstücke bereit hält? Und einen Schatten, wofür braucht man ihn schon - ist das kein ausgesprochen fairer Preis? - Genauso denkt Peter Schlemihl und stürzt sich durch diesen fatalen Handel geradewegs ins Verderben.

Es ist das klassische Muster vom Teufelspakt, das Adelbert von Chamisso in diesem romantischen Kunstmärchen präsentiert. Freilich geht es dem "Grauen", wie die mephistophelische Gestalt hier genannt wird, zunächst nur um Peters Schatten und erst später um seine Seele - doch die Folgen sind für Peter kaum weniger schlimm als der übliche Seelenverkauf. Der Schatten mag dem Menschen im Alltag kaum etwas nützen, doch ist er gewöhnlich unveräußerlich und gehört ganz selbstverständlich zu jedem Wesen und Gegenstand. Wer keinen Schatten besitzt, ruft dementsprechend Misstrauen hervor: Peter wird zum Außenseiter, verlacht und verhöhnt und oftmals gar gefürchtet - schließlich liegt es nah, dass sich ein Mensch schwer versündigt haben muss, damit ihm so etwas Selbstverständliches wie der Schatten verlustig geht! Sein Wunsch nach Reichtum und sein vorschnelles, unbedachtes Handeln werden Peter Schlemihl zum Verhängnis.

Die Erzählung ist insofern durchaus lehrreich und warnt vor der Fixierung auf Reichtum; das Schattenmotiv lässt natürlich eine Reihe von Deutungen zu und ist ein dankbarer Diskussions- und Forschungsgegenstand. Das Werk ist dabei aber auch amüsant und unterhaltsam. Der "Graue" ist eine interessante Teufelsfigur, da er zwar einerseits von Beginn an mysteriös erscheint, sich andererseits aber wie selbstverständlich in der Gesellschaft bewegt und ausgesprochen galant auftritt. Seine joviale Art täuscht anfangs über seine wahre Natur hinweg, die im späteren Handlungsverlauf umso eindrucksvoller vor Augen geführt wird. Zu den humorvollsten Szenen der Geschichte gehören jene, die Schlemihl mit seinem abtrünnigen Schatten konfrontieren. Frustriert und bekümmert muss Schlemihl mitansehen, wie herabwürdigend der Graue mit seinem edlen Schatten umspringt. Auch die Jagd auf einen fremden Schatten ist witzig dargestellt, ebenso wie der vornehm-diabolische Habitus des Grauen immer wieder eine gelungene Mischung abgibt. Überhaupt gehört diese Zusammenführung aus witziger und anrührender Atmosphäre zu den größten Stärken der Novelle, die bei allem amüsanten Charme auch stets eine gewisse Melancholie bewahrt.

Kritisieren lässt sich sicherlich, wie rasch der Umschwung bei Schlemihl von Glück zu Unglück herbeigeführt wird. Er hat kaum Gelegenheit, sich seines Glückssäckels zu erfreuen, da er schon fast unmittelbar nach dem Tausch kritische Kommentare zu seinem fehlenden Schatten hört. Peters Ausschluss aus der Gesellschaft und seine Reue über den Handel wachsen nicht allmählich heran, sondern treten fast unvermittelt ein. Reizvoll wäre gewesen, Peter erst nach und nach begreifen zu lassen, was er mit seinem Schattenverkauf angerichtet hat und wie ablehnend die Gesellschaft von nun an auf ihn reagiert. Gegenüber dem Grauen erscheint Peter Schlemihl, dessen Gestaltung in vielerlei Hinsicht an die des Autors Chamisso angelehnt ist, vergleichsweise ein bisschen blass; sicher gibt es viele Werke mit eindrucksvolleren Charakteren, was den Lesespaß aber nicht entscheidend trübt.

Fazit:

Unterhaltsame, märchenhafte Novelle der Romantik, die gleichermaßen durch humorvolle Momente und leise Melancholie überzeugt. Das klassische Motiv vom Teufelspakt wird hier auf originelle Weise umgesetzt und sorgt für vergnügliche und anregende Lektüre.

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