31. Mai 2016

Fakebook - Alexander Broicher

Produktinfos:

Ausgabe: 2012
Seiten: 240
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Der Autor:

Alexander Broicher, Jahrgang 1973, studierte Filmwissenschaft, Creative Writing, Medienberatung und Dramaturgie. Er arbeitete lange Zeit für Magazine, Film und Fernsehen, beispielsweise für die Serie "Verliebt in Berlin". Ein weiteres Werk ist "Unter Frauen".

Inhalt:


Frieder Kurzmeier ist ein Niemand. So zumindest empfindet er selbst, und so wird es ihm auch immer wieder von seiner Umwelt vermittelt. Enge Freunde hat er keine, seine Exfreundin Lena will nichts mehr von ihm wissen, seine Kollegen in der Lebensmitteltechnik-Firma nehmen ihn nicht ernst. Vor allem wenn er sich auf Facebook herumtreibt, frustriert es ihn, wie sehr sich andere amüsieren, während mit ihm kaum jemand etwas zu tun haben will.

Das ändert sich schlagartig, als Frieder kurzerhand eine Fake-Identität auf Facebook erschafft. Er nennt sich "Rocco", gibt sich als weltgewandter Lebemann aus, schmückt sich mit einem geklauten, lässigen Profilbild und sammelt im Nu Hunderte neue Facebook-Freunde, die ihm huldigen.

Frieder genießt diese ungewohnte Aufmerksamkeit, erst recht, als sich auch seine Exfreundin Lena um "Roccos" Freundschaft bemüht. Zugleich ändert er auch im realen Leben sein Image, stylt sich um, erweckt das Interesse von Frauen und tritt auf der Arbeit energischer auf. Doch als auf einmal seine Fake-Identität Rocco leibhaftig neben ihm steht, traut er seinen Augen kaum. Der lässige Rocco erklärt sich gerne bereit, ihn noch ein bisschen mehr zu unterstützen ...

Bewertung:

Die Grundidee von Alexander Broichers Roman "Fakebook" ist vielversprechend. Soziale Medien im Allgemeinen und Facebook im Speziellen sind in aller Munde, ebenso wie die damit einhergehenden Problematiken. Was Facebook-Fakeprofil anrichten können, wird beispielsweise ausführlich in Victoria Schwartz' autobiografischem Werk "Wie meine Internet-Liebe zum Albtraum wurde" aufgezeigt, und "Fakebook" klingt zunächst nach einem spannenden Roman, der die fatale Entwicklung eines Internet-Fakes beschreibt. Im Heyne-Sublabel "Heyne Hardcore" tummeln sich unter anderem drastische Horrorromane, damit hat "Fakebook" allerdings nichts zu tun, die Einordnung basiert wohl vor allem auf dem leicht provokanten, aktuellen Thema im Sinne des Heyne-Hardcore-Mottos: "Bücher, die Aufsehen erregen".

Der Anfang ist noch recht interessant, denn es entsteht eine gewisse Spannung bezüglich der Fragen, wie weit Frieder mit seiner gefälschten Identität geht und was er möglicherweise für Konsequenzen erntet. Als "Rocco" foppt er nicht nur seine Exfreundin Lena, sondern er freunfdet sich auch gezielt mit deren neuem Lover Vincent an, der zugleich Sohn von Frieders Chef und ihm ohnehin ein Dorn im Auge ist. Dieses Spiel mit dem Feuer ist also von der Grundidee durchaus reizvoll. Auch gibt es ein paar Szenen, in denen Frieders Außenseiterdasein auf witzige Weise dargestellt wird.

Allerdings krankt die Umsetzung schon daran, dass jeglicher Realismus beseitegelassen und das Thema eher satirisch überhöht behandelt wird. Frieder muss überhaupt keine Raffinesse beweisen oder irgendwie sonderlich geschickt vorgehen, sondern erhält gleich nach Erstellen des Profils bereits zahlreiche Freundschaftsanfragen. Obwohl er sehr dick aufträgt, scheint kaum einer seine Identität zu hinterfragen, etwa ob er wirklich wie behauptet mit Til Schweiger befreundet ist oder sich in Cannes auf dem roten Teppich tummelt. Frieder sorgt sich auch nicht darum, dass jemand den wahren Ursprung seiner Profilbilder mittels Googlebilder-Rückwärtssuche herausfinden könnte; anstatt sie zumindest etwas zu verändern, um dieses Risiko zu minimieren, verschwendet er keinen Gedanken daran, muss er wohl auch nicht, da ihm innerhalb kurzer Zeit Tausende unkritische Facebookuser zujubeln. Das geht so weit, dass ein Türsteher ihn erfeut einlässt, als er hört, dass Frieder mit "Facebook-Rocco" befreundet sei - ohne auch nur irgendeinen Beweis dafür abliefern zu müssen, profitiert er von der angeblichen Freundschaft. Diese übertriebenen Entwicklungen mag man amüsant finden, jedoch verliert die Handlung dadurch auch an Spannung, da Frieder sich eben kaum bemühen muss, da alles zu seinen Gunsten spielt. Übertrieben und unglaubwürdig ist auch, dass Frieder so schnell sein reales Image ändert und plötzlich auch dank neuer Frisur und stylischer Kleidung kein Problem hat, eine Frau abzuschleppen.

Noch einen Schritt weiter geht die Handlung, als der erfundene Rocco plötzlich vor Frieder steht. Diese Wendung hat zwar ein gewisses Potenzial, zumal anfangs nicht klar ist, ob sich Frieder Roccos Existenz einbildet. Später allerdings wird Rocco auch von anderen Menschen gesehen. Diese wie selbstverständliche Inkarnation Roccos mag man als i-Tüpfelchen der satirischen Überhöhung sehen, aber in erster Linie wirkt sie phantasielos und unmotiviert, wie um der Handlung krampfhaft Drive zu verleihen, ohne das Konzept näher zu durchdenken. Dass außer Frieders Kollegin Jolinde niemand wirklich sympathisch ist, kommt noch erschwerend hinzu.

Fazit:

Eine interessante Grundidee, die leider nur oberflächlich und unrealistisch ausgeführt wird. Allenfalls annehmbar, wenn man eine satirisch angehauchte Darstellung der Facebook-Welt lesen will, ansonsten aber unspannend.

24. Mai 2016

Trügerische Nähe - Susanne Kliem

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Ausgabe: 2015
Seiten: 352
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Die Autorin:

Susanne Kliem, Jahrgang 1965, arbeitete vor ihrer Autoren-Karriere als Pressereferentin für ARD und ZDF, als Journalistin und als Regisseurin am Theater. 2009 erschien ihr Debütkrimi "Theaterblut". Weitere werke sind: "Die kalte Zeit"und "Die Beschützerin".

Inhalt:


Zwei Paare Mitte vierzig erfüllen sich einen Traum und beziehen zusammen einen restaurierten idyllischen Hof außerhalb von Berlin. Marlis hat den Hof geerbt, ihr Ehemann Johannes teilte mit dem Biologie-Dozenten Alexander zu Studienzeiten eine WG und macht den Vorschlag zum Zusammenziehen. Johannes erfüllt sich als Architekt mit der Neugestaltung einen langersehnten Wunsch, während Alexander einen Großteil des Geldes beisteuert. Alexanders Frau Nora soll nach ihrem Burn-out auf dem Hof die nötige Ruhe finden.

Mit zur Hof-Gemeinschaft gehört noch Noras und Alexanders sechzehnjähriger Sohn Lukas, der gerade eine schwierige Phase durchmacht. Trotz kleiner Unstimmigkeiten, die das ungewohnte Zusammenleben der fünf mit sich bringt, überwiegt die Freude über das neue Lebensgefühl in der abgeschiedenen Lage.

Das ändert sich, als plötzlich Marlis' zwanzigjährige Tochter aus erster Ehe bei ihnen auftaucht. Livia studiert eigentlich Schauspiel in München, braucht aber eine Auszeit. Sie scheint etwas verbergen und will nicht darüber sprechen. Vielmehr scheint die attraktive junge Frau die Hof-Bewohner gegeneinander auszuspielen und sät zunehmend Eifersucht und Zwietracht, die in einer schrecklichen Tat münden ...

Bewertung:

Unterhaltsam, aber nicht überragend präsentiert sich Susanne Kliems Mischung aus Psychodrama und Thriller.

Im Mittelpunkt stehen zwei Paare und deren beiden Kinder, die sich auf den ersten Blick einen Traum erfüllen und sich aus dem Großstadttrubel auf einen idyllischen Hof zurückziehen. Bei näherer Betrachtung aber offenbaren sich die Konflikte und Feindseligkeiten, die sich nach und nach immer weiter steigern, bis es zu einem fatalen Ereignis kommt. Die einzelnen Kapitel stellen stets eine der Figuren in den Fokus, indem ein personaler Erzähler jeweils dessen Gedanken beleuchtet.

Es gibt keinen direkten Sympathieträger, jeder Charakter hat seine Schwächen, die einen mehr, die anderen weniger. Am wenigsten sympathisch ist wohl Alexander, der seine Frau früher regelmäßig betrogen hat und nach wie vor einer Affäre nicht abgeneigt zu sein scheint. Nora blendet diese Gefahr zunächst aus und versuch sich einzureden, dass sich Alex geändert hat. Man bringt ihr Verständnis entgegen, allerdings verhält sie sich nicht immer nachvollziehbar. Beispielsweise geht sie einmal ausgesprochen weit, als sie sich als Marlis ausgibt und in Livias Schauspielschule anruft, um Hintergründe zu erfahren. Dann wiederum verhält sie sich recht widersprüchlich gegenüber Livia - einerseits begründet eifersüchtig, andererseits phasenweise eher gleichgültig und abgeklärt. Johannes erscheint zwar als der Beständigere gegenüber Alexander, doch mit der Zeit zeichnet sich ab, dass er dem Freund dessen Erfolg bei den Frauen durchaus neidet. Marlis versucht, die Hofgemeinschaft zusammenzuhalten, indem sie ihrer Tochter bei deren Problemen beisteht und ihrer Freundin Nora ein Ohr leiht, doch auch sie ist mit den Entwicklungen zunehmend überfordert und trinkt vermehrt Alkohol.

Die schöne, geheimnisvolle Livia nistet sich auf dem Hof wie selbstverständlich ein und treibt ein perfides Spiel. Richtiges Interesse hat sie nur am attraktiven Alexander, doch auch ihr Stiefvater Johannes wird dezent umgarnt. Der pubertierende Lukas ist ihr ohnehin auf den ersten Blick verfallen, was sie ausnutzt, um durch ihn regelmäßig an Joints zu kommen. Es herrscht unterschwellig eine aufgeheizte Stimmung unter den Erwachsenen auf dem Hof: Marlis, die ihre Tochter verteidigt und zugleich argwöhnisch beobachtet, Alexander, der sich auf Flirts mit Livia einlässt, Nora, die hin- und hergerissen ist, die Augen davor zu verschließen oder Livia loszuwerden, und Johannes, der dagegen ankämpft, sich minderwertig gegenüber Alexander zu fühlen. Der Klappentext verrät zwar, dass es einen Toten geben wird, doch wer hier wen ermorden wird, bleibt lange Zeit offen, viele Konstellationen sind denkbar - die eifersüchtige Nora, die Alexander oder Livia etwas antut, ein aus enttäuschtem Liebeskummer handelnden Lukas oder ein gegenüber Alexander ausrastender Johannes sind nur einige der denkbaren Konstellationen.

Die Multiperspektive des Erzählers hat seinen Reiz, da man die unterschiedlichen Beweggründe und Gedanken der einzelnen Figuren gut kennenlernt, verrät aber teilweise zu viel und verhindert, dass man als Leser eine Bezugsperson unter den Charakteren findet. Gerade was Livia betrifft, wäre es noch effektiver gewesen, sie noch etwas länger geheimnisvoll zu belassen und den Leser nicht so schnell in ihre Pläne einzuweihen. Zwar bleibt Spannung dadurch erhalten, dass man nicht weiß, wer letztendlich wem etwas antun wird, aber noch intensiver wären Atmosphäre und Fesselungsfaktor, würde Livia für den Leser weniger durchschaubar sein.

Fazit:

Eine unterhaltsame, aber nicht hochklassige Mischung aus Psychodrama und Thriller mit reizvoller Grundthematik, als kurzweilige Lektüre für Freunde dieser Genres durchaus gut geeignet.

14. Mai 2016

Die Nacht gehört den Wölfen - Wulf Dorn

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Ausgabe: 2015
Seiten: 464
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Der Autor:

Wulf Dorn, Jahrgang 1969, arbeitete zwanzig Jahre lang in einer psychiatrischen Klinik, ehe er sich dem Schrieben widmete. Gleich sein erster Roman "Trigger" aus dem Jahr 2009 war ein großer Erfolg. Weitere Werke sind u. a. "Phobia" und "Mein böses Herz".

Inhalt:

Das Leben des fünfzehnjährigen Simon ändert sich schlagartig, als seine Eltern bei einem Autounfall sterben. Simon überlebt den Unfall und verbringt nach einem Suizidversuch einige Monate in der Psychiatrie. Nachdem er sich stabilisiert hat, kommt er zu seiner Tante Tilia, bei der auch Simons älterer Bruder Mike lebt.

Tante Tilia bemüht sich um Simon, und der Junge ist froh, wieder mit seinem großen Bruder zusammen zu sein. Trotzdem leidet er sehr unter dem Verlust seiner Eltern und kann sich in der neuen Umgebung nicht eingewöhnen. Einziger Trost ist seine neue Freundin Caro, die ihn gut versteht und aufzumuntern weiß. Ihr vertraut er auch die beängstigenden Alpträume an, die ihn verfolgen: Seine toten Eltern bedrohen ihn, weil er den Unfall überlebt hat, und ein wolfartiges Wesen jagt ihm Angst ein.

Immer wieder gerät Simon zudem in Situationen, in denen seine Träume Wirklichkeit zu werden scheinen - so auch in dem verlassenen Hotel, in dem jemand ihn und Caro offenbar beobachtet. Schließlich verschwindet in der Gegend ein Mädchen, und Simon glaubt, dem Täter auf der Spur zu sein ...

Bewertung:


Als Jugendthriller ab vierzehn Jahren ist dieses Werk von Wulf Dorn ausgeschrieben, und jünger sollten die Leser auch wirklich nicht sein, denn es ist an manchen Stellen ausgesprochen gruselig und daher auch von Erwachsenen gut zu lesen. Der Autor hat viele Jahre Psychiatriepatienten betreut und thematisiert daher gerne psychologische Phänomene und nutzt die Psychiatrie als Schauplatz, so auch hier.

"Die Nacht gehört den Wölfen" ist einerseits ein Horrorthriller, in dem lange Zeit offenbleibt, inwieweit übernatürliche Ereignisse hier stattfinden oder nicht, da die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Phantasie zunehmend verschwimmen. Andererseits ist es auch ein Buch, das sich intensiv mit den Themen Schuld und Verlust auseinandersetzt. Es wird deutlich vor Augen geführt, wie sehr Simon unter dem Tod seiner Eltern leidet. Er hadert damit, dass er den Unfall überlebt hat und fragt sich, was das Unglück überhaupt ausgelöst hat, denn ihm fehlen Erinnerungen zu den entscheidenden Momenten. Erschwert wird die Verarbeitung durch seine autistischen Züge. Simon ist in seiner Schule ein typischer Außenseiter gewesen, ein sehr guter Schüler, aber ein schlechter Sportler, ein Ordnungsfanatiker, den alles außerhalb seiner Routine nervös macht und der sich am liebsten in die klar geordnete Welt der Mathematik flüchtet. Seine Tante bemüht sich um ihn, doch sie kennt ihn längst nicht so gut, wie ihn seine Eltern kannten, die mit seinen speziellen Angewohnheiten umzugehen wussten. So ekelt sich Simon beispielsweise vor vermischtem Essen und braucht einzelne Teller für die jeweiligen Beilagen. Tante Tilia bringt dafür zwar Verständnis auf, aber es ist für beide Seiten mühsam, sich an diesen neuen Alltag zu gewöhnen - für Tilia, weil sie plötzlich einen traumatisierten Teenager versorgen muss, und für Simon, weil ihm seine Eltern und seine vertraute Umgebung fehlen.

Der Roman ist über weite Strecken spannend. Dafür sorgen die wiederkehrenden und sich steigernden Alpträume, das unheimliche Erlebnis im verlassenen Hotel, die verschwundene Leonie, die womöglich entführt wurde, und ein weiteres schlimmes Ereignis, bei dem der Verdacht gar auf Simons Bruder Mike fällt. Simon und Caro geraten immer wieder in bedrohliche Situationen, und man weiß bei manchen Charakteren zunächst nicht, ob ihnen zu trauen ist.

Problematisch ist allerdings einmal, dass das Ende verfrüht erahnt wird, wenn man bereits Werke mit ähnlicher Pointe gelesen hat. Der wohl beabsichtigte Wow-Effekt stellt sich nur ein, wenn es der erste Roman dieser Art ist, ansonsten zeichnet er sich schon bald in der zweiten Hälfte ab. Zum anderen stört, dass der Ton des Werkes uneinheitlich ist. Viele Passagen lesen sind eher wie ein Kinderbuch; etwa sind Simons Gedanken, vor allem bezüglich seiner neuen Freundin Caro, recht klischeehaft, für ältere Jugendliche kann dies leicht uninteressant wirken. Die gruseligen Passagen wiederum erfordern starke Nerven und können vierzehnjährige Leser durchaus schon etwas überfordern, auch mit dem Schluss kann nicht jeder in dieser Altersgruppe gut umgehen, weil er eher untypisch für ein Jugendbuch ist. Stilistisch ist der Roman altersgemäß, inhaltlich werden vierzehn- und fünfzehnjährige Leser aber schnell mal über- und unterfordert.

Fazit:

Ein solider, weitgehend spannender und teils sehr schön atmosphärischer, aber nicht übermäßig guter Jugendthriller, der auch für Erwachsene ordentliche Unterhaltung bietet. Das Ende überrascht nur, wenn man noch keine ähnliche Pointe erlebt hat, und es stört etwas, dass das Buch manchmal recht kindlich auf der einen Seite und manchmal sehr unheimlich auf der anderen Seite ist.

7. Mai 2016

Schweig für immer - Linwood Barclay

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Ausgabe: 2016
Seiten: 512
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Der Autor:

Linwood Barclay studierte zunächst LIteratur und arbeitete als Journalist in Kanada. Er begann eine Krimireihe, die bislang nicht auf Deutrsch veröffentlicht wurde. 2007 erschien sein Thriller "Ohne ein Wort", der ihn sofort zum Bestsellerautor machte. Weitere Werke sind u. a. "Dem Tode nah", "In Todesangst" und "Weil ich euch liebte".

Inhalt:

Sieben Jahre sind vergangen, seit Cynthia Archer endlich das Geheimnis um ihre seit Jahrzehnten verschwundene Familie lüften konnte. Immer noch leiden sie, ihr Mann Terry und die inzwischen vierzehnjährige Grace unter den dramatischen Ereignissen von damals, die sie beinah das Leben kosteten. Cynthia reagiert gereizt und überbehütend auf ihre Tochter, und nimmt sich schließlich eine kleine Auszeit von der Familie, um mit sich ins Reine zu kommen.

Grace nutzt den neu gewonnenen Freiraum, um sich mit ihrem neuen Freund Stuart zu treffen. Stuart überredet sie, heimlich in ein Haus einzusteigen, wo er ein fremdes Auto für eine Spritztour ausleihen will. Die beiden sind allerdings nicht allein im Haus. Plötzlich fällt ein Schuss, Grace flüchtet in Panik.

Bestürzt erfährt Terry, dass Stuart ihr eine Waffe in die Hand gedrückt hatte und dass Grace nun fürchtet, Stuart versehentlich erschossen zu haben. Als Terry den Schauplatz untersucht, findet er Blut, doch Stuart ist verschwunden - und auch nicht mehr per Handy zu erreichen. Allmählich ahnt Terry, dass seine Tochter unverhofft Zeugin einer kriminellen Tat wurde. Offenbar gibt es auch einen Zusammenhang zu dem älteren Paar, das kurz zuvor in ihrer Gegend erschossen wurde - und Terry ahnt, dass seine Familie und vor allem Grace in großer Gefahr schweben ...

Bewertung:


Mit seinem Debütthriller "Ohne ein Wort" gelang Linwood Barclay auf Anhieb der internationale Durchbruch, alle nachfolgenden Werke waren Erfolge. Bislang war er nicht für Fortsetzungen bekannt, doch nun liegt mit "Schweig für immer" ein Folgeband an "Ohne ein Wort" vor, der gut unterhält, wenngleich er nicht die Klasse seines hervorragenden Vorgängers erreichen kann.

Grundsätzlich spielen die Ereignisse aus "Ohne ein Wort" keine bedeutende Rolle für diesen Roman, sieht man davon ab, dass das erlebte Trauma die Familie belastet. Die wichtigsten Ereignisse aus dem früheren Werk werden angerissen, sodass auch Neueinsteiger "Schweig für immer" ohne Verständnisprobleme lesen können; natürlich ist der Reiz aber größer, wenn man die Protagonisten schon von früher kennt. Man erfährt, wie sehr die Ereignisse von damals die Familie auch sieben Jahre später noch belastet. Auch wenn Cynthia Antworten auf ihre Fragen nach dem Schicksal ihrer Familie erhalten hat und sie, Terry und Cynthia das Abenteuer überstanden, herrscht keine Heile-Welt-Stimmung bei den Archers. Bei Thrillern ohne Fortsetzung neigt man dazu, zu vergessen, dass auch ein halbwegs guter Ausgang nicht garantiert, dass die Protagonisten anschließend wieder in ihr früheres Leben zurückkehren können; insofern ist es sehr interessant, hier zu erleben, was es mit Menschen langfristig auslöst, die Hauptfiguren in einem Thriller gewesen zu sein.

Ohne Frage ist Linwood Barclay hier erneut ein spannendes Werk geglückt, das einige recht unerwartete Wendungen bietet und den Leser mit dramatischen Handlungsverläufen in Atem hält. Parallel werden mehrere Entwicklungen verfolgt: Es geht um die Frage, ob Grace tatsächlich versehentlich ihren Freund Stuart angeschossen hat und wohin er verschwunden ist, wer die dritte Person im Haus war und wie die Geschehnisse mit dem ermordeten Ehepaar zusammenhängen. Die meiste Zeit erzählt Terry aus der Ich-Perspektive, aber dazwischen gibt es immer wieder Kapitel mit personalem Erzähler, der mal Grace, mal Vince und mal Cynthia fokussiert.

Zudem gibt es ein Wiedersehen mit zwei wichtigen Figuren aus "Ohne ein Wort", die auch hier wieder eine entscheidende Rolle einnehmen. Terrys einstige rebellische, aber begabte Schülerin Jane Scavullo hat sich zu einer jungen Frau entwickelt, die lose mit ihm in Kontakt geblieben ist. Ebenfalls dabei ist Janes Stiefvater Vince Fleming, ein berüchtigter Gangster und ehemaliger Jugendfreund von Cynthia, der trotz seiner kriminellen Aktivitäten das Herz auf dem rechten Fleck trägt, wenn es um seine Liebsten geht. In "Ohne ein Wort" hatte Vince Fleming entscheidenden Anteil daran, dass Teddy, Cynthia und Grace die Handlung lebend überstanden; dennoch bleibt Vince ein zwiespältiger Charakter, den man nicht reizen sollte. Das gilt erst recht für diesen zweiten Band, da ihm sowohl sein körperlicher Zustand als auch der Tod seiner Frau physisch und psychisch zusetzen.

Vince ist, weil schwer durchschaubar und komplex, definitiv einer der gelungensten Charaktere. Terry fungiert wie schon in "Ohne ein Wort" als sympathische Identifikationsfigur, der nette Familienvater und Englischlehrer, der bemüht ist, seine Lieben zu schützen und die Kontrolle über alles zu behalten. Blass bleibt hingegen Cynthia. In "Ohne ein Wort" konnte man besser mit ihr leiden, schließlich ging es um ihre Eltern und ihren Bruder, die spurlos verschwanden und deren Schicksal sich allmählich aufklärte. In "Schweig für immer" erscheint sie in erster Linie kompliziert, und es fällt nicht leicht, eine Bindung zu ihr aufzubauen.

Das Ende ist bemüht, den Leser ein wenig zu schockieren und mit einer gewissen Beklemmung zurückzulassen. Das funktioniert teilweise auch, allerdings wirkt die Wendung auch etwas übertrieben und aufgesetzt. Grundsätzlich ist die Handlung ein bisschen zu überladen, vollgefrachtet mit persönlichen Dramen und Konflikten (Grace' Rebellion gegen die Eltern, Cynthias Probleme mit Grace, Vince' Verlust seiner Ehefrau, Vince' Verhältnis zu seiner Stieftochter), die in der Fülle leicht ermüdend und einfach zu dick aufgetragen erscheinen.

Fazit:

Kurzweiliger und unterhaltsamer Thriller, der aber deutlich hinter dem Vorgängerband "Ohne ein Wort" zurückbleibt und nie dessen Klasse und Faszination erreichen kann.

1. Mai 2016

Benjamin Blümchen auf großer Floßfahrt

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Inhalt:

Otto und Stella verbringen ihre sonnigen Ferien im Zoo bei Benjamin. Überraschend erhalten sie Besuch von Karla Kolumna, die ihre Hilfe braucht. Karla will an einem Fotowettbewerb teilnehmen. Als Motiv soll eine seltene Kranichart dienen, die jedes Jahr von Skandinavien nach Spanien zieht. Einen Tag lang rasten die Vögel an der Triller in den Finsterbergen. Da dort ein Naturschutzgebiet ist, kann Karla nicht mit ihrem Motorroller hinfahren - und sucht nun eine Lösung, wie sie zu den Kranichen gelangt.

Benjamin kommt auf die Idee, ein Floß zu bauen. Zudem wollen er, Otto und Stella Karla begleiten, die natürlich sofort begeistert ist. Wärter Karl verweist sie an Friedrich Flussmann, einen ehemaligen Flößer, der heute Bauholz verkauft.

Karl bringt die Freunde mit dem Zoolaster zu Herrn Flussmann, der hinter dem Naturschutzgebiet wohnt. Der nette Herr Flussmann hilft ihnen beim Bau eines Floßes, und die vier machen sich auf den Weg, immer die Triller hinab. Eine abenteuerliche Fahrt erwartet sie ...

Bewertung:

Das Niveau der Benjamin-Blümchen-Folgen war die letzten Jahre überwiegend niedrig angesiedelt (zu albern, wenig Anspruch, Benjamin zu dümmlich, Otto und Stella zu besserwisserisch, die Handlungen selbst für kleine Kinder sehr simpel) - umso erfreulicher ist es, dass diese Episode zu den besseren Umsetzungen gehört und insgesamt absolut hörenswert ist.

Karla Kolumna, auch nach ihrer stimmlichen Neubesetzung eine der beliebtesten und sympathischsten Figuren der Serie, spielt hier eine Hauptrolle und sorgt für einige amüsante Szenen. Karla macht ihrem Ruf wieder mal alle Ehre und verhält sich sehr ungeduldig, schließlich kann sie es kaum erwarten, im Naturschutzgebiet anzukommen und die Kraniche abzulichten. Und die Zeit drängt tatsächlich, denn die Kraniche könnten schon am nächsten Tag dort ankommen, sodass mit dem Floßbau große Eile geboten ist. Der Gegensatz zwischen der aufgeregten, nervösen Karla, die fürchtet, ihre Kraniche zu verpassen, und den drei anderen, die träumerisch die idyllische Fahrt genießen, ist recht witzig anzuhören und nutzt sich trotz der Wiederholungen nicht ab.

Gemeinsam mit Benjamin und seinen Freunden erfahren kleine Hörer, wie ein Floßbau in Grundzügen funktioniert, etwa welches Holz dafür geeignet ist, wie man für den nötigen Auftrieb sorgt und wie man die Stämme zum Zusammenbinden anrichtet. Karla Kolumna schludert dabei in ihrer Hektik, was sich prompt rächt und demonstriert, dass bei solchen Aufgaben Sorgfalt unabdingbar ist. Die Folge macht kleinen Hörern Lust darauf, selbst ausgiebig die Natur zu erleben. Ein Floß kann man nach dem Hören zwar nicht unbedingt eigenhändig nachbauen, aber man wird dazu angeregt, mal einen Wandertag im ein Naturschutzgebiet zu unternehmen oder zu zelten. Für eine gelungene Atmosphäre sorgt auch die Hintergrundakustik mit allerlei Vogelgeräuschen vom Kuckuck bis zum Käuzchen, dem Plätschern des Flusses und Echolauten, als das Floß durch eine Felsenschlucht fährt. Positiv fällt auf, dass hier keine durch menschliche Stimmen imitierte Tiergeräusche auftreten.

Sicherlich gibt es noch spannendere Folgen als diese hier. Dennoch gibt es auch dramatische Situationen, denn auf der Floßfahrt verläuft nicht alles ideal; aufregend ist beispielsweise die Szene, in der sich die Freunde Stromschnellen meistern müssen. Auch unangenehme Ereignisse wie ein durchnässtes Zelt nach einer Gewitternacht bleiben nicht aus und verleihen der Handlung einen gewissen Realismus.

Überzeugend sind auch die Sprecherleistungen. Ulrike Stürzbecher spricht seit Folge 127 Karla Kolumna und macht ihre Sache gut. Natürlich kann sie die verstorbene Gisela Fritsch nicht vollwertig ersetzen, aber ihre Stimme klingt mittlerweile der von Gisela Fritsch ähnlich, konkret der Karla-Stimme der frühen Benjamin-Blümchen-Folgen - in manchen Szenen könnte man meinen, Gisela Fritsch in der Folge "Benjamin rettet den Zoo" zu hören. Sehr angenehm ist überdies die ruhige Stimme von Friedhelm Ptok, die Friedrich Flussmann sehr sympathisch wirken lässt. Otto und Stella sind nicht so belehrend wie in anderen Folgen, Benjamin umgekehrt weniger dümmlich. Nicht logisch ist allerdings, dass er das Wort "Auftrieb" missversteht, da man aus der Folge "Auf hoher See" weiß, dass er sich sehr gut mit Schiffen auskennt.

Fazit:


Eine überdurchschnittlich gute Benjamin-Folge mit viel Natur und einigen witzigen Szenen. Die Handlung ist recht kurzweilig, macht Lust auf eigene Ausflüge und bisweilen auch ein bisschen spannend.

Sprechernamen:

Benjamin Blümchen: J. Kluckert
Otto: K. Primel
Stella: M. Bierstedt
Karla Kolumna: U. Stürzbecher
Wärter Karl: T. Hagen
Friedrich Flussmann: F. Ptok
Erzähler: G. Schoß