24. August 2016

Die Schwere des Blutes - Laura McHugh

Produktinfos:

Ausgabe: 2016 bei Limes
Seiten: 400
Buchhandel.de
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Die Autorin:

Laura McHugh, aufgewachsen in Iowa und Missouri, arbeitete nach ihrem Studium der Bibliothekswissenschaft als Bibliothekarin und Softwareentwicklerin. Vor ihrem Debütroman "Die Schwere des Blutes" veröffentlichte sie bereits mehrere Kurzgeschichten.

Inhalt:

Das Städtchen Henbane, tief in den Bergen von Missouri: Sechzehn Jahre ist es her, dass die schöne und geheimnisvolle Lila spurlos verschwand. Lucy hat kaum Erinnerungen an ihre Mutter, sieht ihr aber von Jahr zu Jahr ähnlicher. Und plötzlich verschwindet wieder eine junge Frau - Lucys Schulfreundin Cheri.

Ein Jahr später wird Cheris Leiche gefunden, übersät mit Tattoos und Brandmalen. Das geistig leicht zurückgebliebene Mädchen muss noch Monate nach dem Verschwinden gelebt haben, irgendwo in Gefangenschaft. Lucy braucht Ablenkung von dieser furchtbaren Sache und nimmt einen Ferienjob im Diner ihres Onkels Crete an. Der Job bedeutet nicht nur Geld, sondern auch gemeinsame Zeit mit ihrem Schwarm Daniel, der ebenfalls in den Ferien dort arbeitet.

Beim Reinigen eines alten Trailers auf Cretes Grundstück entdeckt Lucy eine Kette, die sie einst Cheri geschenkt hat. Cheri muss vor ihrem Tod also hier gewesen sein - wurde sie womöglich in diesem Trailer gefangen gehalten? Lucy will herausfinden, was mit ihrer Freundin geschehen ist, wer den Trailer zuletzt gemietet hat. Gibt es womöglich sogar einen Zusammenhang mit dem Verschwinden ihrer Mutter damals? Bei ihren Nachforschungen stößt Lucy auf düstere Geheimnisse der Bewohner ...

Bewertung:


Laura McHughs erster Roman, der 2015 den Thriller Award in der Kategorie "Bestes Debüt" gewann, verbindet eine bewegende Familiengeschichte mit kriminalistischen Verwicklungen, und das insgesamt in ansprechender Weise.

Die Handlung entfaltet sich auf zwei Zeitebenen: Zum einen steht die Gegenwart um die siebzehnjährige Lucy im Mittelpunkt, die sich auf der Wahrheit um den Tod ihrer Freundin Cheri auf gefährliches Terrain begibt. Zum anderen führt ein Strang den Leser gut sechzehn Jahre zurück in die Vergangenheit. Hier erzählt die junge Lila, wie sie zum Arbeiten nach Henbane kam, wie ihre exotische Schönheit ihr zum Verhängnis wurde, wie sie dennoch mit Carl und ihrer Tochter das Glück fand, ehe sie auf mysteriöse Weise verschwand. Es ist vor allem dieser Strang in der Vergangenheit, der zu fesseln und anzurühren versteht. Neue Einwohner haben es in Henbane schwer, erst recht, wenn sie so schön und geheimnisvoll sind wie Lila. Rasch ranken sich die wildesten Gerüchte um sie, sie sei eine Hexe, heißt es immer wieder, und der Aberglaube und das Misstrauen der Einwohner bereiten diesen Gerüchten einen fruchtbaren Boden. Harte Arbeit, abgeschiedenes Leben, ein allgemeiner Unwille gegenüber allem Neuen und Fremden zeichnet den Ort aus und wird Lila zum Verhängnis.

Schon bald zeichnet sich ab, dass Lilas Arbeitgeber Crete mehr als eine Hilfe auf dem Feld und im Imbiss in Lila sieht, und das unglückselige Dreiecksverhältnis aus Lila, Crete und seinem Bruder Carl zieht sich immer enger zusammen. Neben Lila sind auch Carl und Birdie Snow sympathische Charaktere, beide mit Ecken und Kanten ausgestattet. Carl liebt Lila und ist bereit, viel für sie zu tun, Lila spürt jedoch auch seine Verbundenheit zu seinem Bruder Crete und zweifelt, ob er diese jemals in Frage stellen würde. Die alte Birdie Snow ist die ehemalige Gehilfin eines Landtierarztes, die aufgrund ihrer Naturheilkunde gerne statt eines Arztes zu Rat gezogen wird. Birdie wird für Lila eine der wenigen Vertrauten, doch bevor sie die junge Frau näher kennenlernt, ist auch sie nicht ganz frei von gewissen Vorbehalten. Die Vergangenheitshandlung zeichnet sich durch eine intensive Atmosphäre aus, in der sich das Unheil zwar bereits früh am Horizont ankündigt, allerdings lange Zeit ohne konkret greifbar zu sein.

Demgegenüber fällt die Gegenwartshandlung ein wenig ab. Das liegt schon allein daran, dass hier die Charaktere weniger charismatisch sind. Lucy, die hier meist als Ich-Erzählerin fungiert, bleibt blasser als ihre faszinierende Mutter, Carl ist weniger präsent, Lucys Schwarm Daniel wirkt beliebig. Am interessantesten ist hier Crete, der in der Vergangenheitshandlung überwiegend schmierig und bedrohlich wirkt, in der Gegenwartshandlung aber offenbar seiner Nichte Lucy emotional sehr verbunden ist. Die meisten Kapitel werden entweder aus Lilas oder aus Lucys Sicht erzählt, allerdings gibt es auch immer wieder Abschnitte, in denen personale Erzähler andere Figuren beleuchtet. Das ist teilweise etwas übertrieben, manche dieser Kapitel verraten etwas zu viel über diese Charaktere.

Die Handlung arbeitet langsam, aber sicher auf die Klärung der Fragen hin, was mit Lila und Cheri geschehen ist und wie die beiden Fälle zusammenhängen, trotz der großen Zeitspanne dazwischen. Es gibt keinen bemerkenswerten Überraschungseffekt am Ende; überhaupt ist es kein Werk, das Hochspannung bietet. Der Fokus liegt vielmehr auf knisternder Atmosphäre, einer melancholischen Stimmung mit vereinzelten idyllischen Momenten, eingebettet in einen flüssigen Stil mit anschaulichen Landschaftsbeschreibungen. Eine gewisse Geduld wird dem Leser abverlangt, wer Action sucht, ist mit diesem Roman gewiss schlecht bedient. Grundsätzlich aber bietet das Werk ein paar Stunden sehr solides Lesevergnügen, wenn man solche Bücher mag.

Fazit:

Mit "Die Schwere des Blutes" ist Laura McHugh ein insgesamt gelungenes Debüt geglückt. Der Roman verbindet auf zwei Zeitebenen eine intensive Atmosphäre mit einer bewegenden Handlung und präsentiert einige reizvolle Charaktere, wenngleich die Gegenwartshandlung nicht ganz die Klasse der Vergangenheitshandlung erreicht.

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