17. März 2018

Die Tribute von Panem 1: Tödliche Spiele - Suzanne Collins

Produktinfos:

Ausgabe: 2009 bei Oetinger
Seiten: 416
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Die Autorin:

Suzanne Collins aus den USA, Jahrgang 1962, veröffentlichte 2003 ihr erstes Kinderbuch "Gregor und die graue Prophezeiung". Insgesamt umfasst die Underland-Reihe fünf Bände und wurde zu internationalen Bestsellern. Ihre Trilogie "Die Tribute von Panem" übertraf diesen Erfolg noch und bescherte ihr überdies zahlreiche Auszeichnungen.

Inhalt:

Die ehemaligen USA in der Zukunft: Nach einigen Kriegen und Aufständen ist das restliche Nordamerika "Panem" in 12 Distrikte und das Kapitol unterteilt; es herrscht eine große Spanne zwischen Armut und Reichtum. Einmal im Jahr finden die Hungerspiele statt, in denen 24 "Tribute", zwölf Mädchen und zwölf Jungen - jeweils ein Mädchen und ein Junge aus einem Distrikt -, ähnlich Gladiatoren in einer Arena unter medialer Beobachtung gegeneinander kämpfen müssen - bis der Letzte von ihnen übrig ist.

In diesem Jahr ist die zwölfjährige Primrose aus dem 12. und ärmsten Distrikt unter den Ausgewählten - und ihre sechzehnjährige Schwester Katniss Everdeen erklärt sich sofort bereit, ihren Platz einzunehmen. Katniss ist eine äußerst begabte Bogenschützin, die zusammen mit ihrem besten Freund Gale täglich durch die Wälder streift und heimlich Wild schießt, um sich, Prim und ihre verwitwete Mutter zu ernähren. Katniss hat kaum Hoffnung, gegen die teils extra ausgebildeten Teilnehmer aus den reichen Distrikten bestehen zu können, auch wenn sie ihr Bestes geben will.

Nach Beginn der Spiele finden sich die 24 Tribute in einer Waldlandschaft wieder, und es beginnt ein Kampf auf Leben und Tod. Katniss sieht sich dabei auch Peeta gegenüber, dem anderen Teilnehmer aus ihrem Distrikt. Obwohl nur flüchtig miteinander bekannt, hat er ihr schon einmal aus einer Notlage geholfen. Katniss möchte ihm gerne trauen - aber gibt es überhaupt noch so etwas wie Freundschaft unter den Teilnehmern ...?

Bewertung:

Die "Tribute von Panem"-Trilogie von Suzanne Collins darf durchaus bereits als Jugendbuchklassiker des 21. Jahrhunderts gesehen werden. Die Reihe gehört zum SF-Genre Dystopie, wird durch ein paar Fantasyelemente ergänzt, enthält sozialkritische Bezüge, natürlich reichlich Spannung und Dramatik und nicht zuletzt eine Portion Romantik. Jennifer Lawrence erlangte mit der Hollywoodverfilmung ihren absoluten Durchbruch, und Katniss Everdeen wurde zum Idol Tausender Teenagermädchen.

Der Auftakt "Tödliche Spiele" reißt den Leser gleich von Beginn an hinein ins Geschehen. Es ist eine düstere Welt, in der Katniss lebt; für Menschen wie sie aus dem ärmsten Distrikt bedeutet jeder Tag einen Kampf um Nahrung und ums Überleben. Das Jagen in den Wäldern ist verboten, aber Katniss geht lieber das Risiko ein, als ihre Familie verhungern zu lassen. Die jährlichen Hungerspiele, in denen stets 23 der 24 zwölf- bis sechzehnjährigen Teilnehmer sterben, bilden den grausamen Höhepunkt. Das Szenario sorgt einerseits für Spannung und regt andererseits zum Nachdenken an: Wie und wann werden die Tribute sterben, wie wird es Katniss in der Arena egehen, wird sie jemanden töten müssen, gibt es möglicherweise doch Zusammenhalt zwischen manchen Teilnehmern - und was wird aus Peeta, gegenüber dem sich Katniss verpflichtet fühlt? Die Hauptgefahr geht natürlich für Katniss von ihren Konkurrenten aus, aber in der Wildnis werden auch Hunger, Durst, Verletzungen, Krankheiten und Kälte früher oder später zum Problem; ganz zu schweigen davon, dass die Organisatoren die Arena durch zusätzliche Gefahren wie etwa vergiftete Nahrungsmittel anreichern.

Automatisch fragt sich der Leser, wie er selbst in einer solchen Situation handeln würde, wie das jeweilige Verhalten überhaupt moralisch zu bewerten ist - schaut man nur auf das eigene Überleben, oder verschont man einen Gegner? Wie beständig und ehrlich können Allianzen in dieser Situation sein? Und was passiert, wenn man wirklich Sympathie für einen der Konkurrenten empfindet - oder vielleicht sogar mehr ...?

Katniss fungiert als Ich-Erzählerin und spricht in einem abgeklärten, prägnanten, direkten Tonfall und nicht selten mit trockenem Humor über die Ereignisse. Katniss ist ein burschikoses Mädchen, ein Tomboy, uneitel, sehr direkt, dickköpfig, clever und doch in extremen Momenten auch emotional und verletzlich. Es fällt nicht schwer, sich sofort mit ihr zu solidarisieren und mit ihr zu fiebern. Peeta kommt sensibler und sanfter daher, ist aber schwer zu durchschauen. Genau wie Katniss muss man abwarten, wie es wirklich um seinen Charakter bestellt ist, wenn es darauf ankommt.

Eine sehr gelungene Nebenfigur ist Katniss' Gegnerin Rue, die jüngste der Tribute: Sie ist erst zwölf Jahre alt, klein und schmal und erinnert Katniss unweigerlich an ihre gleichaltrige Schwester Prim. Für sie ist der Gedanke unfassbar, dass ein Kind in der Arena kämpfen muss, und die beiden verbünden sich miteinander. Die kleine, zarte und so junge, aber durchaus sehr fähige Rue ist eine liebenswerte Figur, die man sofort ins Herz schließt. Überhaupt gelingt es dem Roman ausgezeichnet, die rührenden Szenen ohne übertriebenen Kitsch zu präsentieren. Auch der Rest der Handlung ist sehr geschickt komponiert; kleine Details offenbare später ihre Bedeutung, das Geschehen ist genau dann aufregend, dramatisch, actionreich, bewegend und bisweilen sogar humorvoll, wenn es angebracht ist. Am Ende laufen alle Fäden zusammen, und zugleich wird man es kaum erwarten können, den zweiten Band aufzuschlagen. Freilich ist die Grundidee nicht neu; eine noch härtere Umsetzung mit ähnlichem Gedanken findet man in Koushun Takamis "Battle Ryoal", auch Stephen Kings "Menschenjagd" und "Todesmarsch" haben einige Parallelen - dennoch sind "Die Tribute von Panem" ein sehr reizvolles Werk, das Dystopiefans ans Herz zu legen ist.

Fazit:

Der erste Band der "Tribute von Panem"-Reihe "Tödliche Spiele" ist ein hervorragender All-Age-Roman ab etwa dreizehn, vierzehn Jahren für alle Leser, die sich für abenteuerliche Dystopien interessieren: fesselnd, atmosphärisch, bewegend und gewiss lange im Gedächtnis verweilend.

9. März 2018

Dann schlaf auch du - Leila Slimani

Produktinfos:

Ausgabe: 2017 bei Luchterhand
Seiten: 224
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Die Autorin:

Leila Slimani, Jahrgang 1981, geboren und aufgewachsen in Marokko, ist mittlerweile in Frankreich heimisch. Sie studierte Medien und Politik und arbeitete als Journalistin. 2014 erschien ihr erster Roman "Dans le jardin de l’ogre", 2016 folgte "Dann schlaf auch du".

Inhalt:

Myriam und Paul Massé, ein Pariser Ehepaar Mitte dreißig, suchen nach einer Betreuung für ihre beiden Kinder, das Baby Adam und Vorschulkind Mila. Myriam war lange Zeit Hausfrau, doch nun will sie unbedingt wieder in ihren Beruf als Anwältin zurückkehren.

Sie entscheiden sich schließlich für die zarte Louise, die beste Referenzen aufweist und die die Kinder sogleich ins Herz schließen. Louise ist Anfang vierzig, verwitwet, hat eine erwachsene Tochter. Sie versorgt nicht nur die Kinder der Massés, sondern macht auch die schöne Altbauwohnung behaglicher und kocht leckere Gerichte.

Schon nach kurzer Zeit ist Louise für Myriam und Paul unentbehrlich; sie werden von ihren Freunden um die wunderbare Nanny beneidet. Doch das Ehepaar ahnt nichts von der Einsamkeit und Verletzlichkeit des Kindermädchens. Und sie ahnen nicht, dass am Ende eine furchtbare Tragödie mit mehreren Toten stehen wird ...

Bewertung:

Der zweite Roman der französisch-marrokanischen Journalistin und Autorin Leila Slimani, inspiriert durch einen wahren Fall in New York im Jahr 2012, avancierte rasch nach Erscheinen zu einem Bestseller. "Dann schlaf auch du" ist ein sowohl untypischer als auch literarischer Krimi, der sich auch und vor allem an Leser wendet, die sonst diesem Genre nicht so viel abgewinnen können.

Tat, Opfer und Täter stehen schon zu Anfang fest: Die beiden Kinder sind tot, die Nanny hat sie getötet. Adam starb sofort, Mila erliegt im Krankenhaus ihren Verletzungen. Die Nanny überlebt einen Selbstmordversuch und liegt im Koma. In bester Why-dunnit-Manier begibt sich der Roman nun langsam auf Spurensuche: Wie konnte es zu dieser unglaublichen Tat kommen? Der Erzähler beleuchtet dazu verschiedene Perspektiven,konzentriert sich mal auf Louise, mal auf Myriam, bisweilen auch auf Paul oder Myriams Tochter Stéphanie. Die Fassade erscheint lange Zeit glücklich: Paul und Myriam kommen gut mit Louise aus; gerade Myriam bemüht sich öfter auch um kleine Geschenke und Gefälligkeiten für das Kindermädchen, sie nehmen Louise auch mit in den Urlaub.

Unter der glänzenden Fassade jedoch lauern Abgründe. Louise hat eine schmerzvolle Vergangenheit hinter sich; sie ist einsam, und so nah sie den Massés auch zu sein scheint, sie bleibt ihnen und ihrer Welt dennoch fern. Myriam und Paul ahnen nicht, wie erbärmlich und trostlos Louises kleine Wohnung ist, eher eine Absteige, in der sie nicht mehr Zeit als nötig verbringt. Sie wissen nichts von ihren Schulden, ihrer schwierigen Ehe und dem komplizierten Verhältnis zu ihrer Tochter. Die Beziehung zwischen dem Kindermädchen und seinen Arbeitgebern ist geprägt durch gegenseitiges Missverstehen: Myriam und Paul geben sich gern großzügig und laden Louise unwissentlich dazu ein, sich mehr und mehr in ihrem Leben einzunisten.

Bei aller scheinbaren Perfektion blitzen ab und zu Aggressionen und Abgründe auf bei Louise, deren Tragweite aber von allen Beteiligten unterschätzt wird. Der Roman spielt mit elterlichen Ängsten und Schuldgefühlen, beleuchtet die Problematik der Einsamkeit und demonstriert, wie wenig man mitunter über einen Menschen weiß, den man jeden Tag um sich hat. Melancholie, Verzweiflung und eine teils beinah klaustrophobische Spannung liegen über der Handlung. Es gibt keine großen Erklärungen, der Leser soll aus dem Dargestellten seine eigenen Schlüsse und Bewertungen ziehen.

Die klare, meist nüchterne Sprache mit knappen Sätzen und nur wenigen Dialogen harmoniert mit dieser Stimmung. Diese Reduziertheit und Kühle weckt nicht bei jedem Leser Begeisterung; auch hätte man die Charaktere von Myriam und Paul noch etwas plastischer herausarbeiten können, damit sie deutlicher vor Augen erscheinen, sich mehr einprägen.

Fazit:

"Dann schlaf auch du" von Leila Slimani ist ein beklemmender Why-dunnit-Krimi in knappem Stil; kein überragender, aber doch lesenswerter und durchaus berührender Roman.

8. März 2018

The Child - Fiona Barton

Produktinfos:

Ausgabe: 2017 bei Wunderlich (Rowohlt)
Seiten: 480
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Die Autorin:

Fiona Barton (Großbritannien) war lange Zeit als Reporterin bei der "Daily Mail", dem "Daily Telegraph" und der "Mail on Sunday" tätig und erhielt die Auszeichnung "Reporter of the Year". 2016 gelang ihr gleich mit ihrem ersten Roman "Die Witwe" ein internationaler Erfolg.

Inhalt:

Bei Bauarbeiten in London wird das Skelett eines Babys entdeckt, das offenbar schon seit Jahrzehnten dort vergraben war. Die Journalistin Kate stößt auf diese Nachricht und wittert eine interessante Geschichte dahinter. Sie beginnt nachzuforschen, in der Hoffnung, die Hintergründe zu enthüllen. Wer ist das Baby, und wer hat es dort vergraben?

Dabei trifft sie schon bald auf Angela Irving. Angelas Tochter wurde vor vierzig Jahren kurz nach ihrer Geburt aus dem Krankenhaus entführt, und bis heute gibt es keine Spur von ihr oder dem Täter. Angela ist überzeugt davon, dass es sich bei dem Baby um ihre Tochter handelt - und hofft auf baldige Gewissheit.

Und auch die labile zweiundvierzigjährige Emma liest über den Fall und reagiert mit großem Entsetzen. Sie fürchtet, dass im Zuge der Ermittlungen ein dunkles Geheimnis aus ihrer Vergangenheit ans Licht kommen wird ...

Bewertung:

Nach dem ihrem erfolgreichen Debütroman "Die Witwe" legt Fiona Barton mit "The Child" ihr nächstes Werk vor, das in nahezu allen Belangen überzeugt. Es gibt hier ein Wiedersehen mit Kate Waters, die auch im vorherigen Werk mit von der Partie war; man muss "Die Witwe" aber nicht kennen, und es wird auch nicht zu viel darüber verraten, falls man es im Anschluss noch lesen möchte.

Drei Frauen werden abwechselnd in den Handlungsfokus gerückt, jede von ihnen auf andere Weise mit dem Fall des vergrabenen Babys verbunden. Kate ist diejenige, die die Geschichte ins Rollen bringt. Sie entdeckt eine knappe Nachricht zu dem Fund und spürt instinktiv, dass dahinter eine große Story lauert - die sie braucht, um ihren wackligen Posten in der Redaktion wieder zu festigen. Schon bald aber ist sie nicht nur aus beruflichem Ehrgeiz, sondern auch aus emotionaler Verbundenheit davon besessen, den Fall zu klären. Die intelligente, hartnäckige Kate ist eine sympathische Figur, die man gern bei ihren Recherchen begleitet.

Angela wiederum weckt Mitgefühl. Auch wenn der Verlust ihrer Tochter Jahrzehnte zurückliegt, hat sie ihn nie verwunden. Immer noch macht sie sich Vorwürfe, damals zehn Minuten zum Duschen gegangen zu sein und ihr Baby alleingelassen zu haben; auch ihr Mann und ihre beiden verbliebenen Kinder können den fortwährenden Schmerz kaum lindern. Angela will endlich erfahren, was mit Alice geschehen ist - vor allem aber will sie sie bestatten können. Ihre Verzweiflung wird sehr gut nachvollziehbar und berührend geschildert - und man wünscht ihr inständig, dass sie Klarheit über Alice' Schicksal erhält.

Emmas genaue Rolle ist längere Zeit unklar. Sie ist depressiv und durch den Artikel über das tote Baby sehr beunruhigt. Sie hat furchtbare Angst, allerdings ist zunächst nicht klar, ob dies begründet ist oder auf ihrem labilen Zustand beruht. Auch das schwierige Verhältnis zu ihrer Mutter Jude scheint eine Rolle zu spielen, aber Genaueres kristallisiert sich erst ganz allmählich heraus. Man erahnt zwar zunehmend, was es mit Emmas Ängsten und ihrer Vergangenheit auf sich hat, das mindert aber nicht die Anteilnahme des Lesers.

Alle drei Handlungsstränge erzeugen Spannung, und man möchte von Beginn an erfahren, was es mit dem vergrabenen Baby auf sich hat. Es ist freilich kein actiongeladener Thriller, und es gibt keine Bedrohung durch einen Mörder. Dennoch fiebert man mit, weil einen das Schicksal des Babys berührt, weil man seine Geschichte kennenlernen will, weil man gebannt Kates Nachforschungen verfolgt, sich für Angela Klarheit erhofft und neugierig auf Emmas Geheimnis ist. Die Wendungen können durchaus vorausgeahnt werden, was aber nicht weiter ins Gewicht fällt, da es kein Werk ist, das hauptsächlich auf Überraschungen baut. Der Roman ist in erster Linie ein bewegendes Drama und ein feines psychologisches Porträt dreier Frauen. Die Atmosphäre ist oft melancholisch, erfährt jedoch auch zarte humorvolle Auflockerungen. Das Ende ist sehr überzeugend gewählt und lässt keine wichtigen Fragen offen.

Fazit:

Mit "The Child" ist Fiona Davis ein überzeugender, einfühlsamer Roman mit interessanten Charakteren gelungen. Ein Werk mit sehr leisen Thrilleranklängen, aber dadurch nicht weniger spannend.

2. März 2018

Was ich getan habe - Anna George

Produktinfos:

Ausgabe: 2017 bei btb
Seiten: 320
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Die Autorin:

Anna George (Australien) arbeitet als Anwältin, und "Was ich getan habe" ist ihr erster Roman.

Inhalt:

Verzweifelt irrt der Anwalt David Forrester durch das nächtliche Melbourne - denn er hat gerade seine Frau umgebracht und spricht sein Geständnis in ein Diktiergerät.

Dabei hatte die Beziehung zwischen David und der aparten Filmemacherin Elle so verheißungsvoll begonnen. Sehr schnell war David ihr verfallen, leidenschaftlich, geradezu obsessiv vergötterte er seine Frau. Sie schienen trotz gewisser Gegensätze ein Traumpaar zu sein, der erfolgreiche und wohlhabende David und die idealistische und künstlerische Elle.

Doch hinter der Fassade lauern auch Abgründe. Was hat David schließlich dazu gebracht, Elle zu töten ...?

Bewertung:

"Wer Gone Girl mochte, wird das Buch lieben", verspricht "Who Weekly" auf der Rückseite von Anna Georges "Was ich getan habe". Der Weltbestseller von Gillian Flynn muss öfter als Werbung für andere Thriller herhalten, und in diesem Fall ist der Vergleich leider unpassend.

Der Anfang ist noch recht verheißungsvoll: Der Leser wird unmittelbar mit Davids Geständnis konfrontiert, und es entsteht eine gewisse Spannung durch die daraus resultierenden Fragen - wie konnte es zu dieser Tat kommen, wird sich David den Behörden stellen, wird er die Wahrheit sagen und welchen Verlauf wird sein Leben nehmen? Abwechselnd fokussiert sich die Handlung auf die Gegenwart und auf die Vergangenheit - einerseits der verzweifelte David, der konfus durch die Nacht fährt und sich Verteidigungsstrategien überlegt; andererseits in Rückblicken die aufkeimende Beziehung zwischen David und Elle, zunächst nur als One-Night-Stand geplant, um später in einer Ehe zu münden. Das Potenzial für eine mitreißende Geschichte ist da: Es geht um häusliche Gewalt, um Obsessionen, um Hass-Liebe und um die Gegensätze zwischen schönem Schein und düsterer Wahrheit.

Trotzdem ist das Ergebnis mäßig. David und Elle bleiben beide als Figuren blass, und man kann nie wirklich nachempfinden, was sie am jeweils anderen so fasziniert. Die Schilderung der Beziehung ist recht ermüdend. Es gibt so viele dynamischere und interessantere Paarbeziehungen in anderen Thrillern, während diese hier nie wirklich fesseln kann. Es gibt auch keine reizvollen Nebenfiguren; man hat ein bisschen Mitgefühl mit Elle, ansonsten aber geht einem das Schicksal der Charaktere kaum nah. Dazu kommt, dass Davids Verhalten in der Gegenwartshandlung anfangs noch überzeugt, später aber wird dieser Strang zunehmend wirr und übertrieben. Letztlich gibt es auch keine nennenswerte Überraschung am Ende; auch in dieser Hinsicht kommen Fans von "Gone Girl" also nicht auf ihre Kosten. Das Bemühen der Autorin, häusliche Gewalt zu thematisieren, ist ein gutes Anliegen, allerdings überzeugt der Roman nicht als Thriller.

Fazit:

"Was ich getan habe" von Anna George ist insgesamt ein mäßiger Thriller, den man getrost auslassen darf. Die Idee dahinter ist zwar ganz gut und der Anfang auch nicht schlecht, aber davon abgesehen reihen sich zu viele Schwächen aneinander.